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Sport: Ankunft an der Spitze

Nach seinem Wechsel zu BMW-Williams fährt Nick Heidfeld jetzt ganz vorn in der Formel 1

Um 15 Uhr Ortszeit hatte er es endlich begriffen. „Ich glaube, ich habe erst jetzt realisiert, dass ich wirklich den Sprung in ein Spitzenteam geschafft habe“, sagte Nick Heidfeld und lächelte. Eine ungewohnte Erfahrung in der Formel 1 hatte ihn am Freitagnachmittag zu dieser Einschätzung veranlasst: Heidfeld hatte das Freie Training zum Großen Preis von Australien soeben als Dritter beendet. Das ist ihm in seiner Karriere bislang nicht allzu oft geglückt, weil er selbige zum größten Teil in den langsamen Autos von Prost, Sauber und Jordan verbracht hat.

Nun aber darf Heidfeld im BMW-Williams Platz nehmen. In den letzten Wochen war ihm nicht so recht klar gewesen, was für ein Karrieresprung ihm mit der Vertragsunterzeichnung Ende Januar 2005 gelungen war.

Auch um 8 Uhr 30 hatte Nick Heidfeld offensichtlich noch keine wirkliche Ahnung davon, was ihn in dieser Saison erwarten wird. Scheinbar teilnahmslos erschien er an seinem ersten offiziellen Arbeitstag bei BMW-Williams zum Frühstück im Crown Hotel in Melbourne. Völlig ruhig begab er sich um kurz nach neun Uhr auf den Weg zur Strecke im Albert Park. Ohne ein Anzeichen von Nervosität stieg er kurz vor dem Trainingsbeginn um elf in sein neues Auto. Um 11.04 Uhr fuhr er erstmals auf die Strecke, zunächst nur für eine kurze Aufwärmrunde. Erst nach dem Ende der zweiten Trainingseinheit um 15 Uhr verrieten sein Gesichtsausdruck und seine Worte, wie viel es ihm bedeutete, vor seinem Teamkollegen Mark Webber und sogar vor Michael Schumacher gelandet zu sein: „Auch wenn es noch nicht das Rennen ist – schön ist das trotzdem.“ Bei seinen früheren Arbeitgebern wäre der Arbeitstag nach ein paar anschließenden Teambesprechungen zu Ende gewesen. Als Fahrer eines Top-Teams musste Heidfeld aber zunächst noch das gesteigerte Interesse an seiner Person während einer Pressekonferenz befriedigen. Der 27-Jährige nahm es gelassen hin: „Wenn ich nach nebenan schaue, dann geht’s mir doch noch gut.“ Neben ihm saß Teamkollege Webber, der in seiner australischen Heimat von Kamerateams umringt wurde. Dabei war er deutlich langsamer unterwegs gewesen als Heidfeld.

Nicht nur deswegen hinterließ der Deutsche bei seinem neuen Team schon nach dem ersten Tag an einem Grand-Prix-Wochenende einen bleibenden Eindruck. „Nick ist ein unglaublich harter Arbeiter, sehr konzentriert, sehr analytisch,der sich in seine Aufgabe regelrecht verbeißen kann“, sagt Williams-Techniker Frank Dernie. „Das macht ihn so wertvoll.“ Statt eines gemütlichen Abendessens in einem der vielen guten Restaurants von Melbourne bevorzugte Heidfeld die Gesellschaft der Mechaniker: „Ich esse lieber mit dem Team an der Strecke, das ist effektiver.“ Solche Sätze wird sein Arbeitgeber gern hören.

Als Nick Heidfeld ins Hotel zurückkommt, ist es schon dunkel. Jetzt hat er ein wenig Zeit, seinen ersten Tag an der Spitze zu verarbeiten. Dass der dritte Rang auch ein bisschen mit der etwas geringeren Spritmenge auf jener Runde zu tun haben könnte, wird ihm spätestens zu diesem Zeitpunkt klar. „Wir wissen immer noch nicht hundertprozentig, wo wir im Vergleich zur Konkurrenz wirklich stehen“, gibt er zu. Eines weiß Nick Heidfeld aber jetzt: Er fährt für ein Spitzenteam.

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