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Sport: Anschluss gekündigt

Jan Ullrich trennt sich nach siebeneinhalb Jahren vom Team Telekom

Berlin (Tsp). Gestern glühten die Drähte. Während in Bonn die Kabel Deutschland GmbH, eine Telekom-Tochter, eine Erhöhung der TV-Gebühren ankündigte, kündigte in Berlin Radstar Jan Ullrich seinen Vertrag mit dem Unternehmen. Die Wege des Bonner Rennstalls Team Telekom und die des Olympiasiegers, Zeitfahr-Weltmeisters und Tour-de-France-Siegers von 1997 trennen sich. „Nach langen Überlegungen und intensiven Gesprächen in den letzten Wochen, habe ich mich heute entschieden, keinen neuen Vertrag bei Telekom zu unterschreiben“, schrieb Ullrich gestern auf seiner Internetseite. Vermutlich hat die Drogenaffäre des 28 Jahre alten Merdingers die langjährige Zusammenarbeit zu sehr belastet. Der Vertrag endet damit vorzeitig. Er war ursprünglich bis 2003 befristet und ruhte seit Juli dieses Jahres, nachdem Ullrich die Einnahme von zwei amphetaminhaltigen Tabletten zugegeben hatte. Er ist deswegen noch bis zum 23. März 2003 gesperrt.

„Jan ist zu dem Schluss gekommen, dass er einen Neuanfang starten will. Er möchte in einem neuen Umfeld eine neue Motivation suchen“, sagte Ullrichs Manager Wolfgang Strohband gestern. Er und Ullrich hatten Telekoms Team-Manager Walter Godefroot bei einem Treffen in Berlin persönlich von der Entscheidung informiert.

„Wir respektieren die Entscheidung von Jan Ullrich und wünschen ihm bei seinem neuen Arbeitgeber viel Erfolg“, sagte gestern Jürgen Kindervater, Leiter Sportmarketing bei der Deutschen Telekom. „Der Schritt ist mir nicht leicht gefallen, denn ich habe Telekom viel zu verdanken. Nur mit ihrer Unterstützung war es mir möglich, meine großen Erfolge zu feiern“, schreibt Ullrich. „Es liegen Angebote verschiedener Teams vor.“ Nach siebeneinhalb Jahren bei Telekom könnte es zu einem Wechsel Ullrichs zum dänischen Rennstall CSC Tiscali kommen, der von seinem Freund Bjarne Riis geführt wird.

Der dänische Toursieger von 1996 bekundete erneut sein Interesse an seinem ehemaligen Teamkollegen: „Jan zu holen, wäre eine tolle Sache.“ Riis war Kapitän, als Ullrich 1995 seine Profi-Karriere bei Telekom begann. 1996 siegte er bei der Tour vor dem gebürtigen Rostocker, ehe dieser ein Jahr später als erster Deutscher die Tour gewann. Auch das Team Coast (Essen) hatte durch Manager Marcel Wüst Interesse an Ullrich bekundet.

Von Telekom war Ullrich vor wenigen Wochen ein stark leistungsbezogener Vertrag angeboten worden. „Im Angebot stehen andere Zahlen“, hatte Olaf Ludwig, Sprecher des Teams Telekom Anfang September gesagt. Bis zu seinem Drogen-Geständnis am 6. Juli hatte Ullrich ein Grundgehalt von geschätzten 120000 Euro im Monat erhalten. Das neue Vertragsangebot lehnte Ullrich nun ab.

Zur gleichen Zeit noch, als Ullrichs Arzt Ernst-Otto Münch im August von einer vielversprechenden zweiten Operation berichtete, bestätigte Rudy Pevenage, Sportdirektor des Team Telekom, dass er den Giro-Sieger Paolo Savoldelli verpflichten will. Walter Godefroot sagte gestern dazu: „Wir bedauern den Weggang von Jan Ullrich. Wir haben aber bereits frühzeitig Schritte eingeleitet, um auch 2003 erfolgreich zu sein.“ Neben Savoldelli wurde auch Cadel Evans (Australien) verpflichtet.

Team-Sprecher Olaf Ludwig zeigte sich am Abend gegenüber dem Tagesspiegel überrascht. „Unser Team hat es heute erst erfahren. Wir haben natürlich gehofft, dass er sein Comeback bei uns fahren wird und haben ihm bis zum Schluss alle Türen offen gelassen. Aber er hat sich anders entscheiden. Das müssen wir akzeptieren“, sagt Ludwig. „Von einer Enttäuschung möchte ich nicht sprechen. Denn wir haben auch ohne Jan Ullrich eine gute Mannschaft. Wir sind schon in diesem Jahr zweigleisig gefahren.“

Derzeit arbeitet Jan Ullrich mit dem Freiburger Physiotherapeuten Armin Brukner an der Rückkehr in den Rennsattel. Nach zwei Knieoperationen im Mai und August will er das Radtraining Anfang Oktober wieder aufnehmen. Dass Ullrich seine Entscheidung schon jetzt bekannt gab, begründete er damit, dass „ Telekom frühzeitig für die kommende Saison planen kann“.

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