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Anstrengende Wochen: Hertha im Stress

Herthas Profis müssen mit hoher Belastung zurechtkommen. Bundesliga, Pokal, Uefa-Cup und Länderspiele fordern Tribut. Was können sie gegen Verschleißerscheinungen tun?

Gojko Kacar muss noch lernen, die Signale seines Körpers besser zu deuten. Der Serbe schien schon auf einem guten Weg. Am Wochenende, beim 1:0-Sieg von Hertha BSC bei Borussia Mönchengladbach, ließ sich Kacar nach einer Stunde auswechseln, die Waden schmerzten, in beiden Beinen spürte der Mittelfeldspieler des Berliner Fußball-Bundesligisten Krämpfe. „Ich bin müde“, sagte Kacar hinterher. Dr. med. Lucien Favre, Trainer von Hertha BSC, musste diese Diagnose gestern korrigieren: „Er war nicht müde, er war verletzt.“ Die Wade bereitet Probleme. „Wir müssen aufpassen“, sagte Favre. „Das ist immer gefährlich.“ Kacar wird den Berlinern heute im DFB-Pokalspiel bei Borussia Dortmund fehlen, am Wochenende zum Duell mit Energie Cottbus im Olympiastadion soll er wieder einsatzfähig sein.

Die Nationalspieler kommen auf 35 Einsätze in einem halben Jahr

Auf diese Weise bekommt Kacar, der seit Saisonbeginn ein umfangreiches Programm hinter sich hat, wenigstens ein bisschen Ruhe. Er hat für Hertha im Uefa- Cup und in der Liga gespielt, war für Serbiens Nationalmannschaft, die U 21 und beim olympischen Turnier im Einsatz. „Er spürt die Nachwehen von Peking noch“, sagt Manager Dieter Hoeneß. Das Problem ist: In diesem Rhythmus geht es für die Berliner bis zum Ende der Hinrunde weiter. Bis Weihnachten spielen sie quasi alle drei oder vier Tage: in der Liga, im Pokal, im Uefa-Cup und die meisten Spieler auch noch für diverse Auswahlmannschaften. Auf 35 Einsätze können die Nationalspieler Herthas zwischen Juli und Mitte Dezember kommen; das ist mehr als eine normale Bundesligasaison – in einem halben Jahr.

In den nächsten Wochen jedenfalls bleibt die Beanspruchung konstant hoch. „Es ist wenig Zeit zu regenerieren“, sagt Carsten Schünemann, Herthas Fitnesstrainer, „umso wichtiger sind die Inhalte.“

Wichtig sind Eisbäder, Nudeln und viel Schlaf

Die Berliner tun, was sie tun können. Gleich nach dem Spiel steigen die Spieler ins Eisbad, und wenn sie wie am Wochenende auswärts spielen, bekommen sie schon im Bus eine Nudelmahlzeit, damit der Vorrat an Kohlehydraten wieder aufgefüllt wird. In den Tagen danach folgt das komplette Programm: auslaufen, Fahrrad fahren, Massage oder Stromtherapie, Sauna oder Entmüdungsbecken. „Dazu kommt die Eigenverantwortung der Spieler, das heißt, dass sie sich vernünftig ernähren, viel schlafen“, sagt Schünemann. Acht Stunden sollten es schon sein. Mindestens viermal im Jahr wird jedem Spieler Blut abgenommen und untersucht. Die Profis müssen einen Ernährungsfragebogen ausfüllen und erhalten Tipps, was sie essen sollen und was nicht.

Trainer Favre hat schon zu Saisonbeginn angekündigt, dass er angesichts der hohen Belastungen mehr rotieren wolle. „Wir brauchen das“, sagte er. Für das Pokalspiel in Dortmund ergeben sich die Änderungen fast von alleine: Neben Kacar fehlen auch Innenverteidiger Josip Simunic, der nach seiner Roten Karte aus dem Vorjahr noch weitere zwei Pokalspiele gesperrt ist, und Mittelfeldspieler Patrick Ebert (Leistenbeschwerden).

Den Dreitagesrhythmus kennen nur wenige Spieler

Seit dem Spiel in Mönchengladbach hat Favre sehr dosiert trainieren lassen. Am Sonntag gab er den Spielern frei, am Montag haben sie Fußballtennis gespielt, gestern stand das Abschlusstraining an – auch da geht es nicht an die körperliche Grenze. „Von Samstag bis Mittwoch kannst du dich gut erholen“, sagt Favre. „Von Mittwoch bis Samstag ist das schwieriger.“ Allerdings ist die hohe Belastung für die vielen jungen Spieler generell noch neu. Den Dreitagesrhythmus kennen nur Arne Friedrich, Josip Simunic, Pal Dardai, Andrej Woronin und Marko Pantelic, für die anderen Berliner ist es nicht nur eine körperlich neue Erfahrung, auch eine mentale. „Der Kopf muss sich auch regenerieren“, sagt Schünemann.

Erschwerend kommt für Hertha in diesem Jahr hinzu, dass die Mannschaft ihr erstes Pflichtspiel schon zu einer Zeit bestritten hat, in der normalerweise die Grundlagen für die Saison erarbeitet werden. Bereits Mitte Juli starteten die Berliner in die Qualifikation für den Uefa-Cup. Das Grundlagenprogramm musste extrem komprimiert werden. In den ersten elf Tagen der Vorbereitung haben die Berliner jeden Tag in der Höhenkammer trainiert. „Da profitieren wir von. Aber irgendwann sind die Grundlagen auch mal ausgezehrt“, sagt Schünemann. „Das biologische System hat seine Grenzen.“

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