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Gedopt, aber nicht bestraft. Stefan Schumacher wurde vom Vorwurf des Betrugs an seinem ehemaligen Team freigesprochen.

© AFP

Anti-Doping-Gesetz: DLV-Präsident Prokop: „Unser Kontrollsystem hat keine Glaubwürdigkeit“

Leichtathletik-Präsident Prokop über ein neues Gesetz gegen dopende Spitzensportler und Bodybuilder.

Herr Prokop, warum soll der Staat Doping mit einem neuen Gesetz bekämpfen?

Das hat doch gerade erst das Verfahren gegen den Radfahrer Stefan Schumacher gezeigt. Er stand wegen Betrugs an seinem Arbeitgeber vor Gericht und ist jetzt freigesprochen worden. Er hat zwar gedopt, aber um ihn wegen Betrugs zu verurteilen, hätte man nachweisen müssen, dass er getäuscht oder einen Vermögensschaden angerichtet hat. Das ist im Dopingfall zu kompliziert. Das Strafrecht erreicht den Leistungssport einfach nicht.

Hat der Staat nicht wichtigere Aufgaben, als ein Spiel zu schützen?

Bei der wirtschaftlichen Dimension ist der Sport inzwischen weit weg vom Charakter eines Spiels. Er ist kein reines Freizeitvergnügen mehr. Die Dimension ist zu immens, als dass der Staat daran einfach vorbeigehen könnte.

Staatliche Gerichte sind schon überlastet. Droht mit einem neuen Gesetz nicht eine Welle von Verfahren, die sich endlos lange hinziehen?

Die Gefahr lässt sich dadurch ganz leicht bannen, indem bundesweit Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet werden mit Personal, das sich auf diese Rechtsgebiete spezialisiert hat.

Das wird Geld kosten.

Kann sein, dass Mehrkosten entstehen. Aber es kann ja kein Argument sein, dass ich die Strafbarkeit von Verhaltensweisen daran orientiere, was mich das kostet. Ich müsste dann Berechnungen anstellen, welchen langfristigen volkswirtschaftlichen Schaden ich mit dieser Strafverfolgung verhindern kann.

Was lässt Sie hoffen, dass es tatsächlich ein Anti-Doping-Gesetz geben wird?

In der nächsten Woche ist das Thema Gegenstand der Koalitionsverhandlungen. Und ich sehe viel Bewegung.

Wer sind Ihre stärksten Verbündeten?

Ministerpräsident Seehofer hat sich klar dafür positioniert, die SPD hat sich klar positioniert, die Grünen auch. Bei der CDU ist die Position noch nicht ganz deutlich.

Sollen Bodybuilder mit gleicher Härte verfolgt und bestraft werden wie Leistungssportler?

Wir wissen ja, dass gerade im Bodybuilding massenhaft völlig gesundheitsschädliche Dopingmittel eingesetzt werden. Für die Behandlungskosten muss am Ende die Allgemeinheit aufkommen. Also droht ein erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden. In anderen Bereichen hat der Gesetzgeber sich auch nicht von dem Argument blenden lassen, dass die Selbstschädigung freiwillig geschieht. Deshalb müssen Motorradfahrer Helme tragen.

Und wie hätte sich ein dopender Bodybuilder strafbar gemacht?

Mit einem neuen Gesetz wäre das idealerweise die Besitzstrafbarkeit. Bisher werden vor allem diejenigen verfolgt, die Dopingmittel verteilen. Wer sie selbst nimmt, kommt davon.

Würden sich die staatlichen Ermittler dann nicht vorwiegend mit dem Freizeitsport beschäftigen müssen?

Zahlenmäßig liegt das deutlich über dem Leistungssport, das ist klar. Aber den Leistungssportler muss man allein aufgrund seiner Vorbildwirkung in die Pflicht nehmen.

Der Deutsche Olympische Sportbund behauptet, dass die Sportgerichte schneller urteilen als ordentliche Gerichte.

Das Argument gilt nur, wenn es eine positive Dopingprobe gibt. Aber wir können Doping nur dann wirksam bekämpfen, wenn wir nicht allein auf positive Dopingproben angewiesen sind, sondern alle Erkenntnisquellen auswerten, auch Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachungen. Von den Gegnern des Gesetzes gibt es derzeit zu viele Argumente, die ich nicht ernst nehmen kann.

Welche denn?

Zum Beispiel, dass der sportliche Wettbewerb nicht durch das Strafrecht geschützt werden könne. Aber schon jetzt ist die Weitergabe von Dopingmitteln durch das Arzneimittelgesetz verboten mit dem Verweis auf den sportlichen Wettbewerb. Das zweite Argument ist, dass das Sportrecht durch das Strafrecht ausgehebelt würde. Beim Fußball ermittelt bei gröberen Verletzungen auch immer der Staatsanwalt. Wenn das den Fußball beeinträchtigen würde, hätte der Deutsche Fußball-Bund längst gefordert, die Strafbarkeit von Körperverletzungen auf dem Fußballplatz auszusetzen.

Überzeugt Sie denn auch ein Einwand der Dopinggesetzgegner?

Nachdenken müsste man in der Tat über eines: Doping ist ja kein feststehender Rechtsbegriff. Sondern eine Definition verbotener Verhaltensweisen im Sport. Man müsste sich daher die Frage stellen, ob es Aufgabe des Staates ist, Verbote des Sports durchzusetzen. Da müsste der Staat erst selbst prüfen, welche Mittel verboten sind und welche nicht, anstatt einfach die Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur umzusetzen.

Mit einem neuen Gesetz könnte es mehr Razzien in Fitnessstudios geben, Staatsanwälte in der Umkleidekabine, einfach mehr Blaulicht im Sport. Verliert der Sport nicht dadurch Leichtigkeit?

Ein Engagement des Staates würde der Glaubwürdigkeit des Sportes nützen. Denn wir müssen ja realistisch feststellen, dass über unser Kontrollsystem keine Glaubwürdigkeit eingekehrt ist. Mit dem Staatsanwalt an der Seite hätte der Sport wieder mehr Leistungen mit Vorbildcharakter. Wie sollen wir junge Menschen begeistern, wenn wir sagen, die Topleistungen stehen immer unter Dopingverdacht?

Clemens Prokop, 56, ist seit 2001 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Beruflich leitet der Jurist Prokop seit 2011 das Amtsgericht Regensburg als Direktor (Foto: picture-alliance / dpa).

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