zum Hauptinhalt

Anti-Gewalt: Fußball: Rollenspiele für den Frieden

Wie der Berliner Fußballverband gegen die Gewalt auf seinen Plätzen vorgeht.

Berlin - „Weißt du eigentlich, was passiert ist? Deine Mannschaft hat uns überfallen!“ Das Ereignis, das Gerd Liesegang endgültig zum Handeln bewegte, liegt mittlerweile 20 Jahre zurück, doch er erinnert sich gut. Als damaliger Betreuer des SC Berliner Amateure wurde er von einem Trainerkollegen über die unangenehme Wahrheit aufgeklärt: Sein eigenes Team hatte nach einer Partie die gegnerische Mannschaft provoziert und angegriffen. Die Ausschreitungen häuften sich rasch, auch sein Team wurde zum Opfer.

Heute ist Gerd Liesegang Vizepräsident des Berliner Fußballverbands (BFV) und betreut die ehrenamtlichen Mitarbeiter im Berliner Amateurfußball. In 40 Jahren hat er auf den Plätzen einen Wandel miterlebt. „Die Menschen veränderten sich. Nach der Wende war für viele der Fußballverein der größte Aufhänger für den Frust“, sagt er und fügt hinzu: „Der Fußball ist so etwas wie der Spiegel der Weltgeschichte. Der Kosovokrieg 1999 wurde von den jugoslawischen Vereinen zum Teil auf dem Platz ausgetragen.“

1600 Fußballspiele werden in Berlin jedes Wochenende angepfiffen. Dass einige dieser Partien zum Kriegsschauplatz werden, ist kein Novum. Liesegang war einer der Ersten, der mit konkreten Maßnahmen gegen die Aggression vorgehen wollte. Nach anfänglichen Aktionen mit anderen Kreuzberger Jugendleitern war 1994 das Geld alle und Liesegang wandte sich an den Deutschen Fußball-Bund. „Die Profis sind ja die größten Vorbilder für die Jungs. Als Jürgen Klinsmann 1997 diese Werbetonne zertreten hat, wurden in Berlin nach und nach alle Mülleimer kaputt getreten“, sagt er. Die Unterstützung des DFB erfolgte jedoch nur in Form von elf Autogrammkarten.

So dauerte es weitere vier Jahre, bis die Anstrengungen fruchteten. „1998 kamen auf einmal alle zu uns: Polizei, Fanprojekte, Vereine, weil sie gemerkt haben, dass sie eine Menge Probleme haben“, sagt Liesegang. Seit zehn Jahren existiert nun das „Präventionsmodell Berliner Jugendfußball“. Das Projekt bietet zahlreiche Fördermaßnahmen, von Schiedsrichterschulungen bis zu Rollenspielen mit aggressiven Spielern und Trainern. Erziehungswissenschaftler Helmut Heitmann hat das Modell mitentwickelt. „Man muss mit den auffälligen Spielern die jeweilige Situation en detail aufarbeiten und Verhaltensmuster erkennen“, erklärt er.

BFV-Vizepräsident Liesegang sieht nun erste Erfolge. Die vor dem BFV-Sportgericht verhandelten Sportdelikte, die Fälle wie Rote Karten oder Schiedsrichterbeleidigungen einschließen, seien in den letzten zwei Jahren von 1300 auf 950 zurückgegangen, die Spielabbrüche von 50 auf 23. Die Zahl der Vorfälle sei inzwischen auf einem „erfreulich niedrigen Niveau“, sagt auch Polizeihauptkommissar Hubert Müller von der Zentrale für Prävention des Landeskriminalamtes Berlin. Durch den „2. BFV-Präventionstag“ (Sonntag, ab 10 Uhr, Jahnsportpark) will der Berliner Fußballverband das Niveau noch weiter senken. „Wenn unsere Richter aus dem Sportgericht zu mir kommen und sich beschweren, weil sie nicht mehr zu tun haben, dann ist das ein gutes Zeichen“, sagt Gerd Liesegang.

Lorenz Vossen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false