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Simon Bergmann, 51, von der Kanzlei Schertz, Bergmann, vertritt Claudia Pechstein gemeinsam mit Thomas Summerer und Christian Krähe im anhängigen Prozess gegen die ISU.

© promo/Till Brönner

Anwalt von Claudia Pechstein: „Das Urteil ist gewinnbringend für den Sport“

Simon Bergmann, der Anwalt von Claudia Pechstein, äußert sich im Interview mit dem Tagesspiegel zu den Folgen der OLG-Entscheidung, den Reformzwang für den Cas und die Monopolstellung des Sports.

Herr Bergmann, Sie haben mit Ihrer Mandantin Claudia Pechstein vor dem OLG München einen Sieg errungen, der die Sportwelt erschüttern könnte. Inwiefern?

Das OLG hat seine Zuständigkeit zur Entscheidung des Falles bejaht und die von Frau Pechstein unterzeichnete Schiedsvereinbarung, die sie der Sportgerichtsbarkeit unterwirft, für unwirksam erklärt. Das Urteil geht aber noch darüberhinaus, indem auch dem Cas-Urteil, mit dem die Dopingstrafe bestätigt wurde, die Anerkennung versagt. Darin liegt die eigentliche Sprengkraft des Urteils.

Weil es die Grundlage des Rechtssystems des Sports in Wanken bringen kann?
Die zwangsweise Unterwerfung unter die Sportgerichtsbarkeit wurde von den Schweizer Gerichten bei der Überprüfung von Cas-Urteilen stets abgesegnet. Nun hat erstmals ein Gericht diese Schiedsvereinbarung für unwirksam erklärt, weil diese Praxis dem Kartellrecht widerspreche. Der Sport habe eine Monopolstellung, aber das Kartellrecht untersagt, diese Stellung zu missbrauchen. Nun könnten auch andere Sportler gegen Cas-Urteile vor einem ordentlichen Gericht vorgehen.

Inwiefern missbraucht das Sportrecht seine Monopolstellung?
Will der Sportler an internationalen Wettkämpfen teilnehmen und seinen Beruf ausüben, muss er die Vereinbarung unterzeichnen. Und damit unterwirft sich der Athlet einem Gericht, dem Cas, welches nach Auffassung des OLG rechtsstaatliche Defizite hat, weil es schon bei der Besetzung der Schiedsrichter zu einer wesentlichen Benachteiligung für den Sportler kommt. Die zur Verfügung stehenden Schiedsrichter werden fast ausschließlich von den Verbänden benannt.

Der Eislauf-Weltverband ISU geht in die Revision zum BGH.
Wird das Urteil des OLG vom BGH bestätigt, wird sich das OLG dann auch mit dem Dopingvorwurf befassen müssen. Kommt das OLG zum Ergebnis, dass meine Mandantin nicht gedopt hat, dann ist die Anklage zu Unrecht erhoben worden und dann ist auch die Sperre zu Unrecht ergangen. Und anders als bisher muss der Verband die Beweise für Doping liefern.

Was schwer fallen dürfte.
Inzwischen liegen Gutachten vor, die beweiskräftig belegen, dass bei Frau Pechstein eine vererbte Blutanomalie vorliegt, die die schwankenden Retikulozyten-Blutwerte verursacht. Und damit ist die These, dass ihre Blutwerte nur mit Doping zu erklären sind, widerlegt.

Sollte der BGH die Revision ablehnen, hätten Sportler künftig ein Wahlrecht zwischen der Sportgerichtsbarkeit und ordentlichen Gerichten?

Wenn der Cas sich nicht reformiert, ist es so. Es ist grundsätzlich nichts gegen ein zentrales Sportgericht einzuwenden. Der Cas ist sinnvoll, nur nicht so, wie er momentan aufgestellt ist. Wenn der Cas sich nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ausrichtet, wäre der Zwang einer Unterwerfung unter die Sportgerichtsbarkeit kein Missbrauch der Monopolstellung. Ich fordere aber auch eine Rechtsmittelinstanz gegen Cas-Urteile, die ihren Namen verdient. Hiervon ist die Schweiz meilenweit entfernt, weshalb wir ein Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeleitet haben. Solange die Schiedsgerichte und damit die Sportverbände in der Schweiz protegiert werden, kann der Sportler vor dem Cas nicht mit einem objektiven Verfahren rechnen.

Der Sportrechtler Christoph Schickhardt kritisiert aber das Urteil als Bärendienst für den Sport. Hat er Recht?
Er befürchtet wohl, dass jeder Sportler vor einem Gericht seiner Wahl klagt und es zu einer völlig unterschiedlichen Rechtsprechung kommt. Die Gefahr besteht, sollte aber vom Cas zum Anlass genommen werden, sich zu reformieren. Und wenn der Cas hierdurch an Glaubwürdigkeit gewinnt, ist das Urteil gewinnbringend für den Sport. Dadurch können beide gewinnen, die Athleten und die Sportgerichtsbarkeit.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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