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Sport: Arbeit ist auch eine Tugend

Energie Cottbus zeigt beim Sieg gegen Schalke, wie man im Abstiegskampf bestehen kann

Von Karsten Doneck, dpa

Cottbus - Ronny Gersch verspürte Handlungsbedarf. Das Publikum im Stadion der Freundschaft feierte schon den 1:0-Sieg über Schalke 04 und hatte gar nicht mitbekommen, dass Schiedsrichter Michael Weiner das Spiel noch in eine kleine, von der Dauer her völlig übertriebene Verlängerung schickte. „Vier Minuten Nachspielzeit!“, rief Gersch, der Stadionsprecher, in sein Mikrofon und verlieh seiner Stimme einen vorwurfsvollen Ton. Die Fans des FC Energie Cottbus reagierten kurz mit Empörung, dann sangen sie – vier Minuten lang: „Oh, wie ist das schön.“ Und nach dem Abpfiff immer weiter: „Oh, wie ist das schön.“

Schön anzuschauen war der erste Bundesligasieg des FC Energie seit dem 29. April (2:1 gegen Bayer Leverkusen) nicht unbedingt. Aber der 1:0-Erfolg über enttäuschende Schalker lieferte den Beweis dafür, dass die Mannschaft allmählich zu alten Tugenden findet. Cottbuser Bundesligaprofis – das sind nun mal seit eh und je keine Kulturschaffenden, das ist, keineswegs abwertend gemeint, eben Arbeiterklasse. Die feinen Unterschiede zwischen den vergeblich um spielerische Linie bemühten Schalkern und einem viel Herzblut investierenden Kontrahenten blieben auch Gästetrainer Mirko Slomka nicht verborgen. „Cottbus hat mehr gekämpft als wir, das macht mich sehr nachdenklich“, gab Slomka zu.

Kampf, Einsatz, Leidenschaft – das sind die Mittel, mit denen Energie Cottbus die Punkte zum Klassenerhalt auch in diesem Jahr wieder zusammenraffen muss. Die Statistik wies später aus, dass Schalke zwar 69 Prozent Ballbesitz hatte, aber bei den gewonnenen Zweikämpfen lag Cottbus mit 53 Prozent knapp vorne. So war das entscheidende Tor kurz nach der Pause durch Christian Bassila auch weniger herausgespielt, als vielmehr herausgearbeitet. „Es ist immer etwas möglich, wenn die Moral stimmt“, meint Energie-Trainer Bojan Prasnikar.

Ihm gebührt zweifellos das Verdienst, dass die Mannschaft nach elf sieglosen Spielen nicht längst in tiefe Depression abgerutscht ist und sich ohne Gegenwehr dem unabwendbaren Schicksal des Abstiegs ergibt. Prasnikar lobte nachher zwar die Defensivarbeit seiner Elf, fand aber auch: „Bei den Kontern machen wir noch zu viele Fehler.“ Das nächste Spiel der Cottbuser findet bei Hansa Rostock statt. Für zehn Euro bietet der FC Energie seinen Fans zu dem Spiel eine Fahrt im Sonderzug an. Damit den Spielern auch in Rostock nach spätestens 94 Minuten wieder in den Ohren klingt: „Oh, wie ist das schön.“ Karsten Doneck

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