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Frau vom Fach. Die Expertenmeinung von Paralympics-Siegerin Kirsten Bruhn ist vielfach gefragt. Derzeit ist die erfolgreiche Schwimmerin als Co-Kommentatorin bei der ARD während der Paralympischen Spiele in Rio aktiv.

© picture alliance / Eva Oertwig/Schroewig

Update

ARD-Kommentatorin Kirsten Bruhn: "Ich sehe das als Kompliment"

Mit ihrer gewinnenden Art begeistert Kirsten Bruhn die ARD-Zuschauer. Im Gespräch mit der Paralympicssiegerin im Schwimmen und ARD-Kommentatorin - vor und während der Spiele.

Sie spricht im Fernsehen gerade fröhlich über Maskottchen - und begleitet die Fernsehzuschauer der ARD fachkundig durch die Schwimmwettkämpfe in Brasilien: Kirsten Bruhn. Von Athen 2004 bis London 2012 hat Kirsten Bruhn, 46, bei drei Paralympischen Spielen elf Medaillen geholt, darunter drei Mal Gold. bei den Paralympics in Rio de Janeiro ist sie nun erstmals in die Rolle der Fernsehexpertin geschlüpft. Wir haben Bruhn vor Rio gefragt, wie sie sich nach dem Abschied vom aktiven Leistungssport auf die neue Aufgabe während der Spiele vorbereitet hat.

Frau Bruhn, wie ist das so als Kommentatorin für die ARD bei den Paralympics in Brasilien - und nun nicht mehr selbst als Schwimmerin im Wasser?

In Aktion neben dem Pool zu sein, ist nicht minder aufregend, anstrengend und spaßig. Weder Sehnsucht noch Traurigkeit darüber, nicht mit zu wetteifern, kommen in mir auf, sondern es ist einfach eine tolle und sehr aufregende Erfahrung hier in Rio de Janeiro.

Was gehörte zur Vorbereitung auf Ihren Job als Kommentatorin?
Ich habe mich auf meine Tätigkeit als Expertin für die ARD vorbereitet, in dem ich mir ein Bild von den Athleten und der internationalen Konkurrenz gemacht habe. Dazu war ich als Zuschauerin bei der Schwimm-IDM in Berlin. Mir ist es wichtig, den Fokus auf den Sport und die Leistung der Athleten und nicht auf ihre Behinderung zu legen. Aus meiner Sicht steht die Leistung zu häufig noch im Hintergrund.

Welche Aufgaben beinhaltet Ihre Rolle als Fernseh-Expertin?
Meine Aufgabe sehe ich darin, die Leistungen mit den persönlichen Rahmenbedingungen, vor den Spielen, im Training, und der Persönlichkeit des Athleten, dem Zuschauer verständlich und unterhaltsam rüber zu bringen.
Mir ist es dabei wichtig, den persönlichen Hintergrund des einzelnen Athleten transparenter zu machen.

Werden Sie die Zeit haben in Rio, die Schwimmhalle auch mal zu verlassen, um sich Wettkämpfe anderer Sportarten anzuschauen?
Bis vor ein paar Wochen hatte ich noch diese Illusion (lacht). Da ich jetzt aber weiß, was die ARD so vor hat, gehe ich davon aus, dass mir vom Abflug am 3. September bis zur Landung wieder in Deutschland am 22. ein absoluter Full-Time-Job bevorsteht.

Alles lief rund. Hier freut sich Kirsten Bruhn als damals noch aktive Schwimmerin der deutschen paralympischen Mannschaft über ihre Silbermedaillen beim Empfang im "Deutschen Haus" im Museum of London Docklands während der Paralympics 2012 in Großbritannien.
Alles lief rund. Hier freut sich Kirsten Bruhn als damals noch aktive Schwimmerin der deutschen paralympischen Mannschaft über ihre Silbermedaillen beim Empfang im "Deutschen Haus" im Museum of London Docklands während der Paralympics 2012 in Großbritannien.

© Thilo Rückeis

Abseits der Spiele sind Sie beim Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn angestellt und als Botschafterin für Reha und Sport tätig. Außerdem sind Sie als Kuratoriumsmitglied des Deutschen Behindertensportverbands e.V. aktiv. Hat sich durch den Rollenwechsel auch eine neue Sichtweise ergeben?
Als aktive Sportlerin habe ich immer gesagt, „Ich bin Athletin und keine Politikerin“ und darum gebeten, dass man mich mit Angelegenheiten außerhalb meines Trainings in Ruhe lässt. Deswegen ist es jetzt so, dass ich die Dinge nicht anders sehe, sondern überhaupt wahrnehme. Ich bin jetzt erstmal dabei, die Themen kennenzulernen und zu begreifen. Einige Dinge kann und muss man im deutschen Sport ändern - sowohl für Behinderte als auch für Nichtbehinderte. Vielleicht kann ich da ja zu beitragen.

Gibt es bereits konkrete Projekte, die Sie mit angeschoben haben?
Wir haben im DBS-Kuratorium in diesem Jahr erstmalig den „DBS-Kuratoriumspreis“ verliehen. Hier konnten sich Vereine bewerben, die Kriterien wie Nachhaltigkeit und Inklusivität in besonderem Maße erfüllen. Dieser Preis kann noch mal mehr darauf aufmerksam machen, wie inklusiv Vereine agieren und dass es über den Sport besonders gut geht. Da möchten wir mehr Aufklärung betreiben und mehr Transparenz schaffen.

Nach dem großen Erfolg der Paralympics in London ist es derzeit vor allem das „Nein“ zur Hamburger Bewerbung für Spiele im eigenen Land, das verdaut werden muss. Wie schätzen Sie das Bewusstsein für Behindertensport in Deutschland ein?
Die Ablehnung der Bewerbung in Hamburg hat auf jeden Fall symbolisch gesehen eine Wunde hinterlassen, die noch nicht ganz verheilt ist. Wir müssen unseren Anspruch zurück auf Realitätsniveau bringen. Es wird niemals so sein, dass alle 1:1 inklusiv den Alltag bestreiten können. Auch die Spiele in London waren nicht zu 100 Prozent barrierefrei. Dennoch zeigt die Wertigkeit der Paralympics, welche Maßnahmen zwingend notwendig sind. Für ein wachsendes Bewusstsein muss die mediale Berichterstattung stringenter werden, indem wir auch Europa- und Weltmeisterschaften in den jeweiligen Sportarten begleitet wissen und nicht nur alle vier Jahre die Paralympics der Öffentlichkeit präsentiert werden. Mein persönliches Ziel ist es, dass man sportspezifische Veranstaltungen auch inklusiv austrägt.

Auch bei Ihrem jetzigen Engagement werden Sie mit Ihrem ehemaligen Athleten-Umfeld sicherlich verwurzelt bleiben. Welches Verhältnis pflegen Sie zu den aktiven Schwimmern aus dem deutschen Team?
Mit meiner Erfahrung stehe ich immer gerne beratend zur Seite. Und es hat mich wirklich sehr gefreut, dass mich ein paar Athleten bereits bei Problemen konkret um Rat gefragt haben. Das sehe ich als Kompliment und ich hoffe, es werden nicht die einzigen Male gewesen sein.

Haben Sie auch mal über eine Trainertätigkeit nachgedacht?
Nie wirklich. Ich sage immer: Es gibt die Masochisten und die Sadisten. Die Masochisten sind im Wasser und die Sadisten am Beckenrand. Und ich bin definitiv kein Sadist (grinst). Gleichzeitig muss für mich ein Sportler von sich aus wollen. Also immer wieder neu animieren und motivieren, da hätte ich keinen Bock drauf. Und so wäre ich als Trainerin glaube ich entweder viel zu streng oder viel zu sensibel, die Mitte würde ich nicht treffen.

Paralympics-Zeitung-Reporter David Hock, 19 Jahre, sprach mit Kirsten Bruhn vor den Spielen in der Schwimm- und Sprunghalle im Europapark Berlin. Viele Videos und Fotos auch zu den Schwimmwettkämpfen findet man auf der Social-Media-Seite der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): www.dguv.de/pz. Die Paralympics Zeitung ist auch in allen führenden sozialen Medien vertreten. Wer mehr über Kirsten Bruhn wissen will, kann auch ihr Buch "Mein Leben und wie ich es zurückgewann" lesen.

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