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Auf allen Kanälen. Lance Armstrongs Geständnis war mit Spannung erwartet worden, enttäuschte aber viele.

© dpa

Armstrongs Doping-Geständnis: Weder Verdammnis noch Erlösung

Die Radsportwelt nimmt Lance Armstrongs Dopingbeichte im Interview bei Oprah Winfrey achselzuckend zur Kenntnis, nur der Verband UCI atmet auf.

Allein Pat McQuaid war zufrieden – sehr zufrieden sogar. Der Präsident des Radsport-Weltverbandes UCI begrüßte am Freitag ausdrücklich, was Lance Armstrong in der Nacht zuvor im Interview mit Oprah Winfrey offenbart hatte. Und wohl auch das, was der gefallene siebenmalige Sieger der Tour de France verschwieg. „Armstrongs Entscheidung, sich der Vergangenheit zu stellen, ist ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Sport“, lobte McQuaid. „Armstrong hat bestätigt, dass es keine Verschwörung und keine Absprachen zwischen ihm und der UCI gegeben hat.“ Der selbst unter Betrugsverdacht stehende UCI-Präsident – Armstrong soll dem Verband für die Vertuschung eines positiven Dopingtests 125.000 Dollar gespendet haben – durfte aufatmen. Als Kronzeuge gegen das mafiöse System des Radsports stellte sich Armstrong bei seinem Doping-Geständnis nicht zur Verfügung.

Was McQuaid begeisterte, löste beim Rest der Radsportwelt eher Kopfschütteln und Achselzucken aus. „Er hat keine Namen genannt, hat nicht verraten, wer ihn versorgt hat, welche Funktionäre involviert waren“, fasste John Fahey, Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, Armstrongs Auftritt zusammen. „Falls er auf Erlösung aus war, war er nicht erfolgreich.“ Auch Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur Usada, die seit Jahren gegen Armstrong ermittelt, sprach nur von einem „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Wenn es Armstrong ernst damit sei, seine Fehler zu korrigieren, müsse er „unter Eid ein vollständiges Geständnis seiner Doping-Aktivitäten“ ablegen.

Gegenüber Winfrey hatte der 41-jährige Armstrong Doping bei allen sieben Tour-Siegen zwischen 1999 und 2005 zugegeben, aber keine Hinweise auf mögliche Partner oder Seilschaften gegeben. Der zweite Teil des Interviews sollte in der Nacht zum heutigen Sonnabend ausgestrahlt werden. Mit tiefer gehenden Enthüllungen rechnet aber niemand im Radsport, zumindest nicht in dem bereits aufgezeichneten TV-Interview.

Insofern ruht die Hoffnung, Armstrong werde seiner eher persönlichen und oberflächlichen Beichte ein umfassendes Geständnis folgen lassen, auf einer Zusammenarbeit des Texaners mit den US-Behörden. Das fordert auch Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Wenn er den Radsport so liebt, wie er sagt, und wenn es ihm darum geht, seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, dann muss er bereit sein, gegenüber der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada oder der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada unter Eid auszusagen“, erklärte Bach. Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) verlangt von Armstrong mehr als den öffentlichkeitswirksamen Fernsehauftritt. „Wir erwarten von Armstrong, jetzt alle Beweise den Anti-Doping-Gremien vorzulegen, so dass wir diese dunkle Episode hinter uns bringen können und vorankommen – stärker und sauberer“, teilte ein IOC-Sprecher mit. Der „traurige Tag für den Sport“, können noch eine positive Seite bekommen, „wenn diese Ausführungen dazu führen können, einen Schlussstrich unter die alten Praktiken zu ziehen“.

Armstrongs vermeintliche Enthüllungen konnten aktuelle und ehemalige Radprofis kaum überraschen. „Das war die Pflichtaufgabe, um sein Image aufzupolieren“, sagte der frühere Profi und Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche. Auch Jens Voigt vom Rennstall RadioShack-Nissan äußerte sich sehr nüchtern: „Die Leute mögen Geständnisse, aber es wird für Lance sicher noch ein langer Weg. Da wird noch mehr nötig sein, als ein kurzes Sorry über den Bildschirm.“ Und für Sprinter Marcel Kittel vom Rennstall Argos-Shimano hat Armstrongs Beichte gar keine Auswirkungen auf die Welt des Radsports. „Um es auf den Punkt zu bringen: Eigentlich ist nichts Neues rausgekommen“, sagte Kittel. „Was er getan hat, wird man ihm wohl nie verzeihen können.“ (mit dpa)

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