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Anders als für die feiernden Bayern gestaltete sich der Dienstagabend für Arsenals Jack Wilshere zu einer freudlosen Veranstaltung.

© AFP

Arsenal gegen Bayern: Erniedrigt und deklassiert

Der FC Arsenal fühlt sich beim 1:3 gegen die Bayern von der "besten Mannschaft Europas" besiegt. Bayerns Trainer Jupp Heynckes entschuldigte sich mit der "überragenden Form" seiner Mannschaft.

London - Es wurde viel gelacht, vor dem Bierausschank bildeten sich lange Schlangen, und selbst in den frühen Morgenstunden war der Saal noch halbvoll mit rundum zufriedenen Gästen – die mitreisenden VIP-Fans, Angestellten und Sponsoren kamen in dieser beachtlichen Saison erstmals so richtig auf ihre Kosten. Die vorherigen Champions-League-Betriebsausflüge nach Borisow (1:3), Lille (1:0) und Valencia (1:1) waren ja allesamt recht unerquicklich gewesen, am Dienstagabend aber lag der Glanz des Besonderen über dem mitternächtlichen Bankett. München leuchtete unter den viktorianischen Lüstern im Ballroom des feudalen Landmark-Hotels in London.

Einer Stern- beziehungsweise „Lehrstunde“ seiner Mannschaft hatte der stolze Präsident Uli Hoeneß eigener Aussage nach beigewohnt, der weniger emotionale Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge befand, nicht zu Unrecht, zumindest in den ersten 30 Minuten habe man „ein Klassespiel, die beste Saisonleistung“ erlebt. Rummenigge genehmigte sich einen kleinen historischen Schlenker: „In diesem Hotel hat die Nationalmannschaft 1996 den Gewinn der Europameisterschaft gefeiert, wir sind hier gut aufgehoben.“ Dann aber war er ganz schnell wieder bei der vielversprechenden Gegenwart. Man habe den FC Bayern „in Europa zur Kenntnis“ genommen, schloss Rummenigge aus dem 3:1-Sieg beim FC Arsenal.

An eine Rückkehr ins Landmark, das eines der Hotels für die Teilnehmer des Champions-League-Endspiels am 25. Mai ist, mochten die Münchner Bosse noch nicht explizit denken. „Ich träume nur vom Viertelfinale“, versicherte Hoeneß, nicht ganz glaubhaft. Das sollte sich arrangieren lassen.

Der von Bayerns Machtdemonstration im Emirates-Stadion demoralisierte Gegner bräuchte beim Rückspiel in der Münchner Arena in drei Wochen mindestens drei Tore. „Wir werden versuchen, das Unmögliche möglich zu machen“, sagte Arsenals Trainer Arsène Wenger. „Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Gegen dieses Bayern wird das extrem schwer.”

Nach dem von Buhrufen begleiteten Schlusspfiff saß der Franzose 25 Minuten lang alleine in der Kabine. Er wird wohl zum achten Mal in Folge keine Trophäe gewinnen. Wenger wirkte zermürbt, er hatte keine schlüssige Erklärung für das, was er „Qualitätsunterschied“ nannte. Fast schon mitfühlend entschuldigte Jupp Heynckes die Schmach seines Kollegen mit der „überragenden Form“ seiner Mannschaft. Die Bayern ließen Arsenal nach dem frühen 2:0 am ausgestreckten Arm verhungern. „Leicht und souverän“ (Heynckes) lief der Ball, der bei Verlust durch konzentriertes Pressing sofort wieder zurückerobert wurde. Wengers verunsicherte Truppe wurde „von der besten Mannschaft Europas auseinandergenommen, deklassiert, erniedrigt“, schrieb der „Daily Mirror“, „im Vergleich zu Arsenals schwächlichen Gestalten sahen die Bayern übermenschlich aus“.

Die Unterkunft in Nähe des Marylebone-Bahnhofs erwies sich angesichts Bayerns Auftritt gut gewählt. Man kann „Landmark“ mit „Meilenstein“ oder „Orientientierungspunkt“ übersetzen, als Adjektiv bedeutet es „bahnbrechend“. Speziell die erste Hälfte in London, als die Münchner vor allem in defensiver Hinsicht brillierten, gab nun eine Ahnung davon, wie sehr sich diese Mannschaft seit der Finalniederlage gegen Chelsea auch international weiterentwickelt hat.

Stark verkürzt kann man das an den drei Neuen festmachen. Dantes Sicherheit im Stellungsspiel, die ungeheuerliche Präsenz von Javier Martínez und das Arbeitspensum von Mario Mandzukic machen einen entscheidenden Unterschied. Heynckes lobte besonders Mandzukic, der mit dem späten 3:1 Arsenals Gegenoffensive nach der Pause endgültig die Luft abdrehte. „Federführend als Kämpfer in der vordersten Front“ sei der Kroate gewesen, sagte Heynckes.

Einige Nachlässigkeiten in beide Richtungen nach dem Seitenwechsel legen den Verdacht nahe, dass seine Bayern noch nicht ganz auf dem Niveau des FC Barcelona sind. Aber wenn nach einem 3:1 beim FC Arsenal Raum für Perfektion bleibt, dürfen sich die Münchner Edelfans noch auf die eine oder andere Lustreise einstellen. Raphael Honigstein

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