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Sport: Atouba rassistisch beleidigt

Der HSV-Verteidiger war gegen Moskau nicht nur Täter, sondern auch Opfer

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Beim Anhang des Klubs regte sich das schlechte Gewissen. Einer riet im Fanforum dazu, man möge doch im Stadion ein Banner aufhängen mit einer Entschuldigung für Thimothee Atouba. Der Vorschlag bekam überwiegend Zustimmung. Zumal der Fall des HSV-Verteidigers Atouba, der beim Champions-League-Spiel des Hamburger SV gegen ZSKA Moskau (3:2) am Mittwochabend nach seiner Auswechslung das Publikum durch Zeigen des gereckten Mittelfingers beleidigt und dafür die Rote Karte gesehen hatte, inzwischen in einem anderen Licht erscheint. „Eine Menge Leute, sowohl Zuschauer als auch Spieler, haben uns bestätigt, dass es rassistische Beleidigungen gegen Atouba gegeben hat“, sagt HSV-Vorstandsmitglied Katja Kraus. „Wir prüfen das genau und werden konsequent gegen die Verantwortlichen vorgehen.“

Wie sich die Aggressionen zwischen Spieler und Publikum im Detail hochschaukelten, ist chronologisch nicht mehr exakt einzuordnen. Waren da vielleicht zuerst die Publikumsbeschimpfungen? Rastete Atouba deshalb aus? Der Kameruner verneint das. „Die rassistischen Rufe sind nicht der Grund für mein Verhalten gewesen“, ließ Atouba über HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann der Öffentlichkeit ausrichten.

Dahinter kann auch ein taktisches Manöver stecken. Seit einiger Zeit geht der Europäische Fußballverband (Uefa) verstärkt gegen Rassismus in den Fußball-Stadien vor und verhängt vermehrt Strafen. Dass Fans einen Spieler der eigenen Mannschaft rassistisch beleidigen, dürfte die Uefa aber vor eine besondere Herausforderung stellen. „Das gab es noch nie“, sagte ein Sprecher der Uefa auf Anfrage.

Laut der Uefa sind aber weder im Bericht des Schiedsrichters noch im Report des Spielbeobachters rassistische Ausfälle vermerkt worden. „Es gab eine Nachbesprechung mit den Herren der Uefa. Da wurden diese Dinge überhaupt nicht thematisiert“, sagt Jörn Wolf, der HSV-Sprecher. Die Uefa will nun erst einmal „auf neue Informationen warten“ und nur bei einer Anzeige Ermittlungen aufnehmen. Da sich Verein oder Fans kaum selbst anschwärzen werden, kommt alles auf Thimothee Atouba an. Am 1. Februar wird seine Rote Karte verhandelt. Erwähnt Atouba dabei die rassistischen Schmähungen, könnte dies Ermittlungen und eine mögliche Sanktionierung des HSV nach sich ziehen – von einer Geldstrafe bis zum nachträglichen Verlust des Spiels.

Die Fernsehbilder machten deutlich, über welches Aggressionspotenzial einige wenige Zuschauer selbst auf den teuren Plätzen der AOL-Arena verfügen. Da war zu sehen, wie ein paar aufgebrachte Männer auf der Haupttribüne aus ihren blauen Sitzschalen aufsprangen, zornig ihrerseits den gestreckten Mittelfinger in Richtung Atouba reckten. Auch ein voller Bierbecher platschte als Wurfgeschoss auf den Rasen. „Wir haben kein generelles Rassismus-Problem beim HSV“, betont Jörn Wolf dennoch, und Katja Kraus ergänzt: „Ein Problem in dieser Form ist bei uns bislang nicht aufgetreten.“

Atouba ist inzwischen mehrfach bestraft worden. Er sah nicht nur die Rote Karte, sondern wurde auch noch vereinsintern für zwei Spiele suspendiert und muss eine Geldstrafe bezahlen, von 50 000 Euro ist die Rede. Und die andere Seite? Die pöbelnden Zuschauer, die der Verein identifizieren kann, sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Ohnehin gibt es Hoffnung, dass sich die Lage in Hamburg entspannt. „Wenn Atouba nach der Winterpause wieder engagiert spielt, dann wird sich das schon wieder einrenken“, meint Katja Kraus.

Auch der Bierbecher-Werfer wurde identifiziert. Er hat sich inzwischen in einer Radiosendung entschuldigt.

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