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Sport: Auch eine Art von Balance

Hertha BSC kassiert in dieser Saison zu viele Gegentore, dafür ist die Mannschaft offensiv erfolgreich

Berlin - Dick van Burik macht erfreuliche Fortschritte: Er kann nach seiner Zehenverletzung schon wieder laufen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Der Abwehrspieler von Hertha BSC kann nur mit Laufschuhen schmerzfrei laufen. „Mit Fußballschuhen ging’s gar nicht“, berichtete Trainer Falko Götz gestern. Dummerweise muss van Burik zur Ausübung seines Berufes Fußballschuhe tragen, und deshalb ist sein Einsatz am Samstag in Herthas Bundesliga-Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt mehr als fraglich. „Noch ist reichlich Zeit“, sagt Götz. „Aber ganz ohne Training wäre es ein böses Risiko.“

Ein noch böseres Risiko wäre es, ganz ohne Abwehr zu spielen, aber diese Gefahr besteht für Hertha aller Voraussicht nach nicht. Götz stehen noch drei Verteidiger zur Verfügung – für vier zu besetzende Planstellen: Malik Fathi, Josip Simunic und Arne Friedrich. Van Burik ist verletzt, Christopher Samba gesperrt, Sofian Chahed ebenso. Auch die beiden Nachwuchskräfte Robert Müller und Amadeus Wallschläger konnten gestern wegen kleinerer Blessuren nicht trainieren. Gegen Frankfurt wären sie zwar wieder einsatzfähig, beide bringen es allerdings auf die gesammelte Bundesliga-Erfahrung von gerade vier Minuten. „Da müssen wir uns schon was einfallen lassen“, sagt Götz.

Es ist ja nicht so, dass der Berliner Fußball-Bundesligist defensiv so gefestigt ist, dass er die Ausfälle in der Abwehr ohne Probleme kompensieren kann. Hertha hat bereits 24 Gegentore kassiert, im Schnitt 1,5 pro Spiel. Nur bei den Aufsteigern Aachen (30) und Bochum (30), bei Frankfurt (27) und beim Tabellenletzten Mainz (26) sind es noch mehr. „Wir haben schon besser in der Defensive gespielt“, sagt Götz. „Wir haben aber auch schon schlechter in der Offensive gespielt.“

Vor zwei Jahren stellte Hertha noch die sicherste Abwehr der Liga. In 34 Spielen haben die Berliner damals nur 31 Tore kassiert, in der kompletten Saison also gerade sieben mehr als diesmal nach lediglich 16 Spielen. „Da haben wir aber nach vorne nicht viel bewegt“, sagt Torhüter Christian Fiedler. „Jetzt spielen wir attraktiv nach vorne.“ Nur die drei Führenden der Liga haben bisher häufiger getroffen als Hertha. Viele Tore hinten, viele Tore vorne: „In dieser Ausgewogenheit ist das kein Problem“, sagt Falko Götz.

Die wahre Kunst ist, die richtige Balance zwischen defensiver Stabilität und offensivem Wagemut zu finden. Das ist den Berliner auch vor zwei Jahren nur bedingt gelungen. Als Götz bei Hertha anfing, war die Mannschaft nur knapp dem Abstieg aus der Bundesliga entgangen. Bei dieser Vorgeschichte war es nur verständlich, dass Götz die Defensive zu seinem großen Thema machte. „Ich habe am Anfang vielleicht zu vorsichtig spielen lassen“, hat er einmal gesagt. Andererseits brauchte die Mannschaft das Gefühl, hinten sicher zu stehen, um sich nach vorne etwas zuzutrauen.

In dieser Saison hat sich der Schwerpunkt verlagert, was generell durchaus gewollt ist. Allzu viel Vorsicht ist in Herthas Spiel nicht mehr zu finden, eher zu viel Risiko. Nur Aachen hat mehr Torschüsse des Gegners zugelassen als die Berliner. Das ist nicht alleiniges Versäumnis der Abwehr, sondern Folge einer unzureichenden defensiven Gesamtorganisation. „Uns fehlt im Moment die Sicherheit, die wichtigen Zweikämpfe für uns zu entscheiden“, sagt Torhüter Fiedler.

Hertha beklagt eine Fülle von individuellen Fehlern. Gegen Bayern spielte Patrick Ebert den Ball aus der Abwehr in den Fuß von Bastian Schweinsteiger. Es folgte das 2:0 für die Bayern. In Bielefeld blieb Simunic stehen, als der Linienrichter Abseits winkte. Zuma lief allein auf Fiedler zu und erzielte das 1:0. Gegen Bochum verlor Chahed den Ball als letzter Mann, Misimovic traf zum 2:1. In Bremen spielte Kevin-Prince Boateng an der Mittellinie unbedrängt einen Querpass zu Daniel Jensen. Dessen Zuspiel verwertete Miroslav Klose zum 3:1. In Leverkusen schaffte es Malik Fathi mit seinem Befreiungsschlag nur bis zu Paul Freier. Der Leverkusener glich zum 1:1 aus. „Jeder individuelle Fehler wird sofort bestraft“, sagt Fiedler.

Dass Hertha trotz dieser imposanten Mängelliste immer noch Fünfter ist, hat die Mannschaft vor allem ihrer erfolgreichen Offensive zu verdanken. Im Grunde ist Marko Pantelic dank seiner zehn Saisontore Herthas wichtigster Mitarbeiter für die Defensive.

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