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Sport: Auf allen Strecken zu Hause

Bei Halbzeit der Tour de Ski hat Tobias Angerer die besten Chancen auf den Sieg

Oberstdorf - Tobias Angerer will die Gesamtwertung nicht mehr sehen. „So“, sagt der deutsche Langläufer, nachdem er einen kurzen Blick auf die Liste geworfen hat, „die machen wir jetzt wieder zu.“ Der 29-Jährige sitzt auf einem kleinen Podium am Oberstdorfer Langlaufstadion und klappt das sechsseitige Papier demonstrativ zusammen. Er will sich nicht länger mit der aktuellen Reihung bei der Tour de Ski beschäftigen – weil sie so unangenehm für ihn ist? Das Gegenteil ist der Fall.

Angerer führt zur Halbzeit die erste Tour de Ski an. Er gilt damit als Favorit für den Gesamtsieg, was er aber selber nicht so formulieren würde. „Es ist alles offen“, sagt Angerer, „wir wollen beim Finale in Val di Fiemme einen auf dem Podium haben.“ Tatsächlich liegen seine Teamkollegen Franz Göring auf Rang drei und Jens Filbrich auf Rang sieben ebenfalls aussichtsreich. Doch der Sieg dürfte nur über den Weltcupsieger der vergangenen Saison gehen. Allerdings nicht heute beim Sprint in Asiago, Italien (11.30 Uhr).

Seine ersten Erfolge hat Angerer zwar als Sprinter erzielt, inzwischen liegen ihm aber die längeren Strecken besser. Er sagt: „Mein Ziel ist es, in Asiago den Prolog zu schaffen.“ Beim Auftakt der Tour de Ski in München hatte er sich nicht für die Viertelfinalrennen der besten 30 Läufer qualifizieren können. Heute rechnet er sich bessere Chancen aus. „Inzwischen haben die Sprinter schon einige harte Rennen in den Beinen“, sagt Angerer, „und einige sind auch schon ausgeschieden.“ So fehlt der Sieger von München, Christoph Eigenmann. Der Schweizer Sprinter fiel beim zweiten Rennen aus der Wertung.

Die Sprintspezialisten werden wohl mit dem Sieg bei der Tour de Ski nichts zu tun haben, da sie auf den längeren Distanzen zu viel Zeit verlieren oder sogar ausscheiden. So muss jeder die Tour beenden, der bei den Distanzrennen überrundet wird. „Vielleicht muss man sich in Zukunft etwas anderes überlegen“, sagt Bundestrainer Jochen Behle, „die Sprinter haben nicht wirklich eine Chance.“

Zwar gibt es für Erfolge in den beiden Sprintwettbewerben Zeitgutschriften. Doch sie reichen nicht aus. Mit den Norwegern Simen Östensen (Platz 2), Petter Northug (Platz 5) und Tor Arne Hetland (Platz 20) finden sich nur drei bessere Sprinter unter den besten 30 der Gesamtwertung. Das ist allerdings auch der Gedanke der Tour de Ski, die aus sechs unterschiedlichen Wettbewerben besteht. Sie soll der Spezialisierung im Langlauf entgegenwirken. „Wir suchen den besten Allrounder“, sagt Jürg Capol, Renndirektor des Internationalen Skiverbandes. So wird der Gesamtsieger mit 400 Weltcuppunkten belohnt, was schon den Sieg des Gesamtweltcups bedeuten kann.

Angerer könnte der beste Allrounder werden. Er hat bereits 17 Sekunden Vorsprung auf Östensen. Zwei dritte Plätze in Oberstdorf haben den 41. Platz von München wieder wettgemacht. Der Traunsteiner ist gegenwärtig in guter Form und kam sogar im 15-Kilometer-Rennen von Oberstdorf damit zurecht, dass seine Spur zuschneite. So gut, dass der Franzose Vincent Vittoz vermutete, dass ein Spurläufer für den Deutschen die Bahn freigeräumt habe. „Ich weiß nicht, wie er darauf kommt“, sagt Angerer, „ich hätte gerne einen Spurläufer gehabt.“

Die erste Tour de Ski wird wohl erst am Sonntag in Val di Fiemme entschieden. Dort müssen die Langläufer zum ersten Mal einen vier Kilometer langen Schlussanstieg bewältigen, der eine Steigung von 12 bis 14 Prozent aufweist. Die deutsche Mannschaft trainierte bereits gestern die Bergankunft auf dem Anstieg Alpe Cermis. Allerdings wollte Angerer diese Anstrengung noch nicht auf sich nehmen. „Ich werde vielleicht mit der Bergbahn hochfahren und mir den Anstieg von oben ansehen“, sagt er, „es reicht mir, wenn ich am Sonntag da rauf muss.“ Gelingt ihm das auch noch recht zügig, dürfte er die Liste mit der Gesamtwertung noch einmal zur Hand nehmen.

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