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Sport: Auf den Spuren des Betrugs

Auch mit seinem neuen Anti-Doping-Plan kann der DOSB nur schwer die Lücken im Kontrollsystem schließen

Berlin - Dopingsubstanzen, von denen die Fahnder nichts wissen, Mittel, die nicht nachweisbar sind, Verschleierungsmethoden, gegen die Kontrolleure nichts ausrichten können: willkommen in der Welt des Sports. Der E-Mail-Verkehr zwischen dem mittlerweile wegen Minderjährigendopings verurteilten Leichtathletiktrainer Thomas Springstein und dem spanischen Arzt Miguel Peraita hat eine Ahnung von den Möglichkeiten des Betrugs offenbart. Jede E-Mail ist ein Beleg für die Machtlosigkeit des Sports.

Dennoch hat es der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am Wochenende abgelehnt, den Staat um die maximal mögliche Hilfe zu bitten und den Besitz von Dopingmitteln strafrechtlich verfolgen zu lassen. Stattdessen hat der Verband nahezu einstimmig einen Aktionsplan beschlossen. Aber reicht der aus, um die Kontrolllücken zu verkleinern?

Die Akten zum Fall Springstein, die dem Tagesspiegel vorliegen, lassen daran zumindest Zweifel. Selbst der Leiter des Kölner Doping-Kontrolllabors, Professor Wilhelm Schänzer, muss einräumen: „Manipulation mit hohem Fachwissen – so kann man am Kontrollsystem vorbeikommen.“ An vielen Stellen tauchen in der Akte Insulin und Wachstumshormon auf, beide Substanzen stehen auf der Dopingliste. „Insulin vier Einheiten nur Montag, Mittwoch und Freitag“, heißt es in einer Notiz vor der deutschen Leichtathletik-Meisterschaft 2000 in Braunschweig. An anderer Stelle geht es um Wachstumshormon: „Zwei Einheiten nach einem Training (nur an Trainingstagen).“ Die Wirksamkeit von Insulin und Wachstumshormon ist bekannt. „Wachstumshormon reduziert den Fettabbau“, sagt Schänzer. Insulin, das wussten viele Fahnder noch nicht, wird auch zur Verbesserung der Regeneration eingesetzt. Peraita schreibt: „Ich füge auch noch ein anderes Insulin (schneller) dazu, das nach dem letzten Rennen des Tages während des Wettkampfs eingenommen wird. Nur fünf Einheiten eine halbe Stunde nach dem letzten Rennen des Tages jeden Tag während des Wettkampfes und dann viele Kohlenhydrate essen. Das verbessert die Erholung für den nächsten Wettkampftag.“

Das Problem ist aber: Wachstumshormon und Insulin sind kaum nachweisbar. „Im Moment können wir nur synthetisches Insulin nachweisen, aber kein körpereigenes oder gentechnisch hergestelltes“, sagt Schänzer. Um Wachstumshormon entdecken zu können, benötigt Schänzer Antikörper. Die sind im Kölner Kontrolllabor ausgegangen. „Wir warten auf eine neue Antikörperlieferung der Welt-Antidoping-Agentur“, sagt Schänzer. Insulin und Wachstumshormon sind nur im Blut nachweisbar, zum Teil nur 24 Stunden. Blutkontrollen gibt es jedoch nur im Wettkampf. Im Training könnten Athleten also unentdeckt mit Wachstumshormon und Insulin dopen. Blutkontrollen dürfen nur von Ärzten durchgeführt werden, von den 70 deutschen Dopingkontrolleuren der Firma PWC aus München, ist nur deren Geschäftsführer Helmut Pabst Mediziner.

Eine gängige Betrugstechnik ist, Dopingsubstanzen so fein zu dosieren, dass sie zwar die Leistung steigern, der zulässige Grenzwert aber nicht überschritten wird. Das betrifft vor allem Anabolika. Die feine Dosierung ist mit Pflastern möglich. „Klebe das Pflaster auf die saubere Haut am Morgen und lasse es dort für ungefähr sechs Stunden (Schulter oder Rücken)“, heißt es in den Akten von Springstein. Und ein Shake wird erwähnt, der getrunken werden soll, um bei der Kontrolle sauber zu sein. Auch hier muss Schänzer einen Vorsprung der Betrüger einräumen: „Es gibt Substanzen, die das Ausscheiden von anabolen Steroiden beschleunigen können.“ Was der „Shake“ enthält, davon hat er keine Vorstellung.

Um die Einnahme von Anabolika nachzuweisen, hat Schänzer einen Vorschlag: „Man muss individuelle Steroid-Profile anlegen.“ Das bedeutet, dass Athleten in Abständen getestet und ihre Werte gespeichert werden. So können Fahnder Auffälligkeiten erkennen. Wie bei den Blutkontrollen ist das eine Kostenfrage.

Der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), Roland Augustin, hat aus dem Fall Springstein die Schlussfolgerung gezogen: Mehr Kontrollen, auch Bluttests, mehr Prävention und Forschung und eine bessere Vernetzung. „Die bessere Zusammenarbeit mit Staat, Verbänden und Kontrolleuren ist eines unserer wichtigsten Ziele“, sagt er. Ob ihm der Aktionsplan des DOSB dabei hilft? Ein Punkt sieht vor, den jährlichen Zuschuss des DOSB an die Nada auf 520 000 Euro zu verdoppeln. Wie weit die Nada damit kommt, kann Augustin nicht beantworten. Der Plan fordert auch Prävention. „Wir müssen den Sportlern das Risiko des Dopings bewusst machen“, sagt Schänzer. Ein Beispiel ist für ihn der Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes, bei dem Blutbeutel gefunden wurden. Schänzer sagt: „Der Sportler muss wissen: Wenn ein Beutel vertauscht wird, und er die falsche Infusion erhält, kann er sterben.“

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