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Sport: Auf den Spuren von Shaka

Der Stockkampf hat sich in Südafrika aus den Militärstrategien des legendären Zulu-Königs entwickelt

Andere Länder, andere Sitten: Auch im Sport gilt dieser Satz. Wir beschreiben in loser Folge, welche Sportarten Nationen prägen, und warum das so ist.

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Ein männlicher Vertreter des Zulu-Volkes in Südafrika lässt sich recht leicht erkennen: Er trägt einen Stock. Ohne dieses Werkzeug wird er sich nicht in die Öffentlichkeit wagen, denn er braucht es in allen Lebenssituationen; zum Rinderhüten beispielsweise und um Schlangen und Diebe zu verjagen. Und für Stockkämpfe.

Der Stockkampf ist im südlichen Afrika schon seit Jahrhunderten bei den Zulu, aber auch den Xhosa, Ndebele, Pedi und Sotho verbreitet. Wiewohl erst der Zulu- König Shaka den Zeitvertreib von Hirtenjungen zu einem Kampfsport weiterentwickelte, den er in sein organisiertes militärisches Training integrierte. Auf der Basis des Stockkampfs formte Shaka aus dem kleinen Zulu-Stamm zwischen 1816 und 1828 mit brutaler Konsequenz eine gefürchtete militärische Regional-Großmacht. Zuvor war es üblich, dass gegnerische Stämme frontal aufeinander losgingen, erst Speere schleudernd und dann in ritualisierten Bewegungen mit Keulen aufeinander eindreschend. Tote gab es selten, der Unterlegene gab nach – und man feierte hinterher gemeinsam.

Shaka revolutionierte die Kriegsführung. Er ersetzte den langen Wurfspeer durch einen kürzeren Kampfspeer, verbot die Nutzung von Sandalen, da sie beim schnellen Lauf hinderten, und organisierte seine Truppen in ein blockierendes Zentrum und zwei angreifende Flanken. Dieser Taktik waren seine Gegner nicht gewachsen. Um Geschwindigkeit, Geschicklichkeit, Mut und Treffsicherheit zu trainieren, ließ er die jungen Männer jeden Tag mit einem Stock kämpfen, den anfangs noch der umgedrehte Speer bildete.

Seine militärische Bedeutung hat der Kampf längst verloren. „Wir wollen den Stockkampf nicht mehr gegen andere einsetzen“, sagt Goodwill Zwelithini, der König der Zulu. „Aber wir müssen ihn bewahren, als Teil unserer Tradition.“ Zur Tradition gehören auch die recht einfachen, aber strengen Regeln des Kampfes. Die beiden Kontrahenten haben je ein Schild (Ihawu genannt) zum Schutz und einen langen Verteidigungsstock (Ubhoko) in der linken sowie einen kurzen Stock (Induku) für den Nahkampf in der rechten Hand. Es gilt, Kopf, Schulter, Knie oder Knöchel des Gegners von der Seite zu schlagen, um diesen kampfunfähig zu machen. Stechen von vorn ist verboten.

Sowohl der sorgsam selbst hergestellte Stock als auch der Körper werden vor dem Kampf mit geheimnisvollen Tinkturen vom Sangoma, dem Medizinmann, geweiht, um beide stark zu machen und um den Gegner durch bestimmte Gerüche zu irritieren. Auch Amulette und Gravuren sollen helfen. Wird dem Gegner dessen Stock aus der Hand geschlagen, so ist ihm das Wiederaufnehmen gestattet. Verletzungen werden sofort behandelt, sind aber im Prinzip nicht beabsichtigt. Der Schiedsrichter und das Publikum mit seinen Rufen entscheiden nach Schnelligkeit und Treffsicherheit, wer der Sieger ist.

Es gibt in Südafrika weder Meisterschaften oder reguläre Wettkämpfe im Stockkampf. Besondere Zeremonien wie die Wahl eines neuen Häuptlings, ein Erntefest oder eine Hochzeit aber sind ohne das rituelle Kräftemessen nicht vorstellbar. Dabei kann sich ein Mann die Anerkennung seines Stammes sichern. Und um ein Mädchen zur Braut zu gewinnen, führt er mit einem Freund vor ihr oft einen Stockkampf auf, um sie zu beeindrucken.

In den vergangenen Jahrzehnten ist der Schaukampf durch die mit Speeren und Stöcken ausgetragenen Kämpfe der Zulu- Freiheitsbewegung Inkatha gegen Anhänger des Afrikanischen Nationalkongresses in Verruf geraten. Die Waffen der Zulu wurden wieder zum Sinnbild für blutige Auseinandersetzungen. Ethnologen stellten fest, dass der Stockkampf daher inzwischen in vielen Gebieten des Zulu-Landes nicht mehr ausgetragen wird. Die Gefahr, dass dieses Ritual verschwinden wird, ist jedoch gering. Die Touristenzentren werden auf die Attraktion kaum verzichten.

Bisher erschienen: Thaiboxen in Thailand, Pétanque in Frankreich, Badminton in Indonesien, Hurling in Irland, Eisschnelllaufen in den Niederlanden, Football in den USA und Laufen in Kenia.

Helmut Schneider[Johannesburg]

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