Sport: Auf der Flucht

Berlin - Günter Eisinger, der Manager und Trainer, sagt bloß lakonisch: „Es gibt viele Sportplätze in Frankfurt, wir wechseln immer wieder.“ Es klingt, als würden er und Ariane Friedrich bloß mal ein paar Hochsprunganlagen testen, um den idealen Übungsort zu finden. In Wirklichkeit ist es eine Flucht. Ariane Friedrich, WM-Dritte von 2009 im Hochsprung, Bestleistung 2,06 Meter, Hallen-Europameisterin 2009, und ihr Coach flüchten vor Journalisten, vor Fotografen, vor neugierigen Zuschauern, vor Leuten, die sie vielleicht dumm anquatschen würden.

Seit sie Namen und Wohnort eines Mannes öffentlich gemacht hat, von dessen Facebook-Account sie eine Mitteilung mit sexuell anstößigem Inhalt bekommen hatte, ist das Leben der Ariane Friedrich aus den Fugen geraten. Und das Training auch; zumindest die üblichen Regeln gelten nicht mehr. Bisher hat die 28-Jährige vor allem in Frankfurt-Niederrad trainiert, eine weitläufige Sportanlage, umgeben von viel Grün und hohen, alten Bäumen. Hier lief sie immer wieder auf die Hochsprungmatte zu und drehte dann wieder ab, ohne zu springen. Hier ist ihr alles vertraut, hier hat sie ihren Kraftraum.

Doch jetzt muss sie sich stets auf etwas Neues einstellen. In einem normalen Jahr wäre das schon ärgerlich, in einem Olympiajahr, bei dem es auf gefühlte Kleinigkeiten ankommt, könnte das zum Problem werden. Vor allem, wenn halb Deutschland über ihren Fall diskutiert und sich fragt: Durfte sie das? Den Typen outen? Ausgerechnet sie, die Polizistin?

Weitsprung-Europameister Christian Reif hat sich seit Anfang April nahezu komplett aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Er schottet sich ab, weil er sich ganz auf die Olympischen Spiele konzentrieren will.

Ariane Friedrich kann davon nur träumen. Aber Eisinger und seine Athletin versuchen, so gut wie möglich, Alltag zu simulieren. „Sie registriert nach Möglichkeit keine Medienberichte zu dem Fall“, sagt Eisinger. „Und sie hat sich aus Facebook verabschiedet. Endlich.“ So wie er es erzählt, läuft alles so normal wie möglich. In den Osterferien – Eisinger ist Lehrer, er muss sich nach der Schule richten –, waren sie in Südafrika, in einem Trainingslager. „Das ist weit weg, da war es schön still“, sagt er.

Rein körperlich, sagt Eisinger, sei Ariane Friedrich „voll belastbar“. Sie hatte im Dezember 2010 einen Achillessehnenriss erlitten, musste eine 13 Monate lange Zwangspause einlegen und kämpft sich seither wieder zurück in die Weltklasse. Ihren ersten Wettkampf nach der Pause beendet sie mit 1,84 Metern. Damals sagte Eisinger: „Es ist eine reine Kopfsache.“

Damals hatte er gemeint: Sie muss wieder Vertrauen in die eigenen Leistungen und Fähigkeiten bekommen. Inzwischen hat der Satz eine ganz andere Bedeutung bekommen. Der mutmaßliche Stalker hatte mit Eisinger gesprochen, er wollte ihn sogar treffen, aber der Manager lehnte dies nach Rücksprache mit seinem Anwalt ab. Jetzt gibt er zum Ganzen gar keinen Kommentar mehr ab, „es ist ein laufendes Verfahren“, sagt er. Nur einen Punkt, den betont er sehr ausdrücklich: „Ariane wollte nie, ich betone nie, diesen Mann treffen.“ Eine entsprechende Falschmeldung hatte am Freitag ein paar Stunden öffentlich kursiert.

Wie groß die Belastung für den Trainer und seine Athletin ist, das lässt sich ganz leicht nachvollziehen. Dazu genügt dieser eine Satz von Eisinger: „Es ist unmenschlich.“