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Sport: Auf der Grenzlinie

Das internationale Tennis hat ein Dopingproblem – die Kontrollen sind lax, die Verbände uneinsichtig

Von Frank Bachner

und Benedikt Voigt

Berlin/Sydney. Es war kein gewöhnliches Erstrundenmatch, das Greg Rusedski am Montagmorgen 7:6 und 7:6 in Sydney gewann. Der eingebürgerte Brite spielte gegen Juan Ignacio Chela, einen Argentinier, der das bereits hinter sich hat, was Rusedski noch drohen könnte: eine Dopingsperre. Chela wurde im Jahr 2001 für drei Monate gesperrt, weil er positiv auf das Steroid Methyltestosteron gestestet wurde. Seit Freitag steht auch Rusedski unter Dopingverdacht, doch das hinderte viele Zuschauer in Sydney nicht, den Sieg des englischen Tennisspielers ausführlich zu beklatschen. „Es sind sehr viele Engländer unter den Zuschauern, die mich unterstützen und mit der Situation umgehen können“, sagte Rusedski.

Eigentlich ist es ein großer Zufall, dass im Tennis zwei Spieler aufeinandertreffen, deren Name in Verbindung mit Doping geraten ist. Die Herrentennis-Organisation ATP und die Frauentennis-Organisation WTA meldeten bisher nicht viele Dopingsünder aus den eigenen Reihen. Was nicht heißen muss, dass nicht gedopt wird. Im Gegenteil. Am Montag gab der ehemalige Tennisprofi John McEnroe zu, in seiner aktiven Zeit Steroide genommen zu haben. „Sechs Jahre lang war ich mir nicht bewusst, dass mir eine Art legales Steroid verabreicht wurde, das man auch Pferden gibt“, erzählte der Tenniskommentator, „so lange, bis man bemerkt hat, dass es sogar für die Pferde zu stark war.“ McEnroe wurde nie positiv getestet.

Die beiden Profitennisverbände haben die Dopingtests nicht wie andere Sportverbände an eine unabhängige Kontrollinstanz wie die Welt-Antidoping-Agentur (Wada) vergeben. Wada und ATP beabsichtigen zwar, demnächst einen Vertrag über die künftige Zusammenarbeit zu unterzeichnen. Bis dahin kontrollieren sich die Tennisverbände weiterhin selbst. Im Herrentennis brachte das erst drei überführte Dopingsünder. Trotzdem sagt ATP-Sprecher David Higdon: „Unsere Dopingtest-Programm ist deutlich und ausreichend und international anerkannt als eines der besten Testprogramme.“ Doch es gibt auch andere Meinungen.

Keine Vorschriften für Turniere

Der Turnierdirektor der German Open wünscht sich von der WTA viel stärkere Doping-Kontrollen als bisher. „Das wird im Tennis sehr lax gehandhabt“, sagt Eberhard Wensky, „es gibt für Turniere keine Vorschriften.“ Wie oft bei seinem Turnier eine Spielerin getestet wird, weiß er nicht. Wensky fordert feste Regeln statt stichprobenartiger Kontrollen. „Die Siegerin müsste immer kontrolliert werden“, sagt der Turnierdirektor. „Die Ehrlichkeit gebietet so etwas.“ Zum Beispiel kommt ihm der Muskelzuwachs mancher Spielerin seltsam vor. „Das müsste man mal kontrollieren“, sagt Wensky.

Der frühere Profi Ulrich Seetzen aus Berlin kennt die lasche Kontrollpraxis aus eigener Erfahrung. Er spielte von 1996 bis 2001 auf internationalen Turnieren, darunter zeitweise bei Grand-Slam-Wettbewerben. „Eine Dopingprobe musste ich nie abgeben“, sagt der 27-Jährige. „Ich habe auch nie gesehen, dass ein anderer kontrolliert wurde.“ Dafür bekam er mit, „dass ganz viele über Doping geredet haben – vor allem die Südamerikaner und die Spanier“. Gegen einen spanischen Dopingsünder hat Seetzen auch gespielt. Bei einem Challenger-Turnier in Lübeck traf er auf Ignacio Truyol. Der wurde kurz darauf als Dopingsünder entlarvt.

„Alle nahmen Kreatin“

Kreatin dagegen, das die Muskelbildung fördert, ist zwar umstritten, aber erlaubt. „Kreatin haben damals alle genommen“, sagt Seetzen. „Ich habe es auch mal vier Wochen lang ausprobiert“, sagt der Berliner. „Da war ich verletzt, und ich habe mich danach ausgezeichnet gefühlt.“ Aber verbotene Mittel habe er nie genommen.

Im Bereich des Deutschen Tennisbundes (DTB) ist das Kontrollsystem offenbar etwas besser. Im vergangenen Jahr gab es im DTB-Bereich insgesamt 90 Trainings- und Wettkampfkontrollen. Bei insgesamt 99 Kaderathleten, die getestet werden können, ist das bescheiden. „Allerdings werden die absoluten Spitzenspieler, die international auftreten, meist mehrmals im Jahr kontrolliert“, sagt Erik Krzemien, der stellvertretende Generalsekretär des DTB. Seit 1996, als sich der Verband in das nationale Kontrollsystem einbinden ließ, wurde kein deutscher Tennisspieler positiv getestet. „Das Problem aber ist, dass wir die Spitzenspieler, die durch die Welt reisen, sehr schwer für Kontrollen bekommen“, sagt Roland Augustin, der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada. Die Nada hat als Kontrollinstanz die Anti-Doping-Agentur ADK des Sportbundes abgelöst. Dort erinnert man sich mit Widerwillen an die ATP. „Wir haben von denen nur sehr schwer Informationen über Kontrollen in ihrem Bereich erhalten“, sagt Jürgen Barth, der frühere ADK-Geschäftsführer.

Wie ehrlich Greg Rusedski Tennis spielt, muss noch geklärt werden. Rusedski glaubt, dass sein Fall dem der 46 Spieler ähnelt, die zwischen Oktober 2002 und Mai 2003 positiv auf Nandrolon getestet wurden. Sieben Profis, darunter der Tscheche Bohdan Ulihrach, überschritten sogar die Dopinggrenze. Doch die ATP akzeptierte die Erklärung, dass die Spieler mit Nandrolon verschmutzte Elektrolyte zu sich genommen haben, die ihnen von ATP-Physiotherapeuten verabreicht wurden. Die Erklärung ist nie wissenschaftlich nachgewiesen worden. Ab Mai 2003 verbot der Verband die Elektrolyte. Kurioserweise ist Rusedskis Probe zwei Wochen nach dem Verbot genommen worden. Trotzdem weist sie dieselbe Struktur auf wie die Nandrolon-Proben der 46 Spieler.

Inzwischen glaubt Wada-Chef David Howman, dass das Problem vielleicht nichts mit Physiotherapeuten und Elektrolyten zu tun haben muss. „Wir sind sehr besorgt, dass die Schlussfolgerung, die von den Physiotherapeuten ausgehändigten Elektrolyte seien schuld an den positiven Ergebnissen, vielleicht falsch ist – und dass da draußen irgendetwas anderes passiert.“

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