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Sport: Auf die Dosierung kommt es an

Epo lässt sich seit 2000 nachweisen, Chancen zum Betrug gibt es trotzdem

Berlin - Bis zum Jahr 2000 war eigentlich alles kein Problem. Wer das Dopingmittel Erythropoietin, kurz Epo, spritzte, der musste keine Dopingfahnder fürchten. Epo konnte im Dopinglabor nicht nachgewiesen werden, also griffen vor allem Ausdauersportler zu dem Mittel. Epo war jahrelang ein Klassiker im Doping. Der Stoff wird zwar auch im Körper produziert, aber das künstlich zugeführte Epo vermehrt die Zahl der roten Blutkörperchen besonders gut. Das Blut kann mehr Sauerstoff in die Muskeln transportieren, damit steigt die Leistungsfähigkeit. Ideal also für Radsportler oder Langstreckenläufer. Bis 2000 gab es zwar auch schon Kontrollen, schließlich ist Epo seit 1988 auf der Dopingliste, aber besonders wirksam waren diese Überprüfungen nicht. Die Chemiker im Dopinglabor konnten im Blut lediglich bestimmte Stoffe nachweisen, die einen Verdacht nährten. Aber juristisch war das kein Beweis. Niemand konnte wegen dieser auffälligen Blutwerte gesperrt werden. „Eine bessere Methode gab es damals eben nicht“, sagt Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für pharmazeutische Forschung in Nürnberg. Der Mangel wurde im Jahr 2000 behoben. Bei den Olympischen Spielen in Sydney konnten die Experten, juristisch unanfechtbar, künstliches Epo im Blut und im Urin nachweisen. Im Urin filterten die Chemiker auch geringe Mengen heraus.

Wer Medaillen gewinnt oder etwa bei Radetappen ganz vorne landet, der wird automatisch auf Epo untersucht. Dopingproben von anderen Sportlern, sagt Sörgel, werden erstmal auf Verdachtsmomente abgeklärt. Schließlich sind Epo-Untersuchungen teuer. Doch wer im Blut einen Hämatokritwert von mehr als 50 Prozent oder einen Urin mit sehr heller Farbe hat, der fällt auf. Verdacht auf Epo-Missbrauch. In diesen Proben wird dann intensiv nach künstlichem Epo gesucht. Ein sehr heller Urin ist ein Hinweis darauf, dass ein Athlet Unmengen Wasser getrunken hat, um seinen Hämatokritwert zu senken.

Am häufigsten wird Epo gespritzt, wenn Athleten viel Kondition trainieren, also im Grundlagenbereich. Die Kilometerfresserei findet in der Regel im Winter und im Frühjahr statt, egal ob bei Radprofis oder Langstreckenläufern. Genau zu diesem Zeitpunkt wären intensive Trainingskontrollen nötig. Aber ausgerechnet in diesem Zeitraum tauchen nur selten Dopingkontrolleure auf – aus Geldmangel.

„In dieser Zeit spritzen Athleten das Mittel pro Woche ein- oder zweimal“, sagt Sörgel. So wird der Dopingeffekt stabil gehalten. Wer eine einmalige Epo-Kur mit hoher Dosis macht, hat drei Wochen lang einen Effekt. Allerdings sind hohe Epo-Dosen relativ lange nachweisbar. „Wenn man ganz sicher gehen will, dann setzt man Epo zwei Monate vor dem Wettkampf ab“, sagt Sörgel. Je geringer die Dosis freilich ist, umso näher kann man sich an ein Sportereignis herandopen. Dass sie mit ihrem Epo-Einsatz Thrombosen und Schlaganfälle riskieren, nehmen die Athleten in Kauf.

In der Medizin wird künstliches Epo bei Krebspatienten eingesetzt, und zwar in so hohen Dosen, dass jeder Doping-Fahnder blass würde. „Allerdings wird das Mittel nur bei akuten Fällen angwandt“, sagt Sörgel. Mit Armstrongs Hodenkrebserkrankung von 1997 habe die positive Epo-Probe von 1999 nichts zu tun. „Da gibt es wissenschaftlich keinen Zusammenhang.“

Aber in einem anderen Punkt spielt Armstrongs Krankheit eine Rolle. Der Körper des US-Amerikaners kann aufgrund der Operation kein Testosteron mehr herstellen. Armstrong erhält deshalb künstlich erzeugtes Testosteron. Das Hormon hat allerdings einen hohen anabolen Effekt, deshalb gilt ein zu hoher Wert auch als Doping. „Bei künstlich zugeführtem Testosteron gibt es eine Grauzone“, sagt der Berliner Endokrinologe und Hormonexperte Sven Diederich. „Die Dosis lässt sich nicht immer so berechnen, dass der normal übliche Wert heraus kommt. Es ist gut möglich, dass der Wert zeitweise stark ansteigt.“ Das sei auf keinen Fall als Doping zu bewerten, jedenfalls aus ärztlicher Sicht. „Im Gegenteil, man muss einen Ausreißer nach oben sogar ausdrücklich tolerieren.“

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