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Sport: Auf Eis trainiert, im Schnee gewonnen

Andrea Henkel hat beim Eisschnelllaufen dazugelernt – nun gewinnt sie in Serie

Berlin - Andrea Henkel zögerte, bevor sie den letzten Schuss abgab. 59 Mal hatte sie innerhalb einer Woche auf die kleine Scheibe geschossen, 57 Mal hatte sie getroffen. So gut war sie nie zuvor gewesen. Ein Treffer noch und sie hätte weiter auf den vierten Weltcupsieg in Folge hoffen können. Doch diesmal verfehlte sie das Ziel. Die Schwedin Anna Carin Olofsson gewann das Sprintrennen über 7,5 Kilometer am Freitag in Hochfilzen vor Sandrine Bailly aus Frankreich und Andrea Henkel. „Ich habe keinen Rhythmus gefunden und deshalb wohl zu lange auf den letzten Schuss gewartet“, sagte die Thüringerin, die zwischen Sieg zwei und drei 29 Jahre alt geworden war. Sie führt weiterhin mit deutlichem Vorsprung den Gesamtweltcup an. „Jetzt kann ich das Gelbe Trikot sogar unter den Weihnachtsbaum legen und beim Weltcup im Januar zu Hause in Oberhof damit starten“, sagte sie.

Dass Henkel ein Weltcuprennen gewinnt, erstaunt nicht, schließlich ist sie Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Doch dass es in Tirol gleich dreimal in Folge klappt – im ersten Sprintrennen vor einer Woche, im Verfolgungsrennen und dem Einzelrennen über 15 Kilometer – fand sie selbst „schon überraschend“. Schließlich ist sie nicht der weibliche Ole Einar Björndalen und keineswegs auf Seriensiege spezialisiert. Vor acht Jahren gab sie ihr Debüt im Weltcup und stand seither außer bei den auch für den Weltcup gewerteten Olympia- und WM-Siegen fünfmal ganz oben auf dem Podest: Zweimal zu Beginn ihrer Karriere, dreimal in der vergangenen Woche. Dazu kamen neun zweite und dritte Plätze.

Es ist nicht das erste Mal, dass Andrea Henkel für eine Überraschung gut ist. Ihr größter Triumph gelang ihr 2005 bei der WM in Hochfilzen. Nach ihrem Olympiasieg von Salt Lake City hatte sie zwei schwache Jahre hinter sich und sollte eigentlich gar nicht mit zur WM fahren. Weil Martina Glagow krank wurde, rückte Andrea Henkel doch noch ins Team. Und weil Simone Denkinger in den ersten beiden Rennen jeweils auf Rang 32 landete, ließ Bundestrainer Uwe Müssiggang Henkel an den Start. Im Ziel war sie Weltmeisterin. Bei Olympia in Turin ein Jahre später verpasste sie Bronze als Vierte knapp und beendet die Saison als Siebte im Gesamtweltcup. Für die kommenden Monate hatte sie sich schon vor ihrer Erfolgsserie als Ziel gesetzt, „im Gesamtweltcup mal unter die ersten drei zu kommen“.

Warum es jetzt so gut läuft und sie glänzt und nicht Kati Wilhelm, die Olympiasiegerin von 2006, kann sie nicht erklären. Gut, Hochfilzen liegt ihr, die Strecke, auf der es „nicht nur hoch und runter geht, sondern auch mal geradeaus“. Und seit einer Mandeloperation 2004 ist sie weitgehend gesund geblieben, auch das wirkt sich auf die Leistung aus.

Im Gegensatz zu Kati Wilhelm, die auf der Suche nach der nacholympischen Motivation im Mai noch mit Wohnmobil durch Kanada fuhr, hat Andrea Henkel auf Sonderurlaub verzichtet. Allerdings ist sie beim Training andere Wege gegangen als früher, der Liebe wegen. Weil ihr Freund in Berlin lebt, die Stadt aber biathlonfreie Zone ist, hat sie dort zwischen Mai und September mehrmals mit Eisschnellläufern Kraft und Ausdauer trainiert. Der Deutsche Meister Samuel Schwarz und die Meisterschafts-Dritte Nadine Seidenglanz gehörten zu der Trainingsgruppe. Die Saisonvorbereitung sei in beiden Sportarten ähnlich, allerdings „bin ich mehr Rad gefahren als früher“, erzählt sie. Auch beim Eistraining war sie mehrmals dabei und übte den für beide Sportarten typischen Skaterschritt auf ungewohntem Untergrund. Dabei wurde sie von ihren Trainingspartnern allerdings gnadenlos abgehängt. Das kann ihr in der Loipe nicht so schnell passieren. Heute kämpft Andrea Henkel mit der deutschen Staffel in Hochfilzen um eine Medaille (10.30 Uhr, live im ZDF). Gut möglich, dass sie wieder ganz nach vorne läuft. Zum vierten Weltcupsieg in neun Tagen.

Helen Ruwald

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