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Sport: Auf Versöhnungstour

Englands Gescheiterte sollen die Fans besänftigen

Ja, er würde als Fan die englische Nationalmannschaft wohl auch ausbuhen, sagte der Mann im Hotel „The Grove“ vor den Toren Londons kurz und trocken. Schmährufe sind ja nach landläufiger Meinung auf der Insel das Mindeste, was Trainer Fabio Capello und seine Kicker für ihr schändliches Achtelfinal-Aus gegen Deutschland in Südafrika verdient haben. Angesichts der allgemeinen Wut wird das Testspiel gegen Ungarn am Mittwochabend kaum zum echten Neuanfang taugen, das Publikum in Wembley will sich zuerst heftig abreagieren. Die erwarteten Unmutsäußerungen wurden im Teamhotel von höchster Stelle sanktioniert: der Mann, der selbst mitbuhen würde, heißt nämlich Steven Gerrard und fungiert als Kapitän der dysfunktionalen Elf. „Wir haben es nicht anders verdient“, sagte der 30-Jährige, „wir haben unsere Fans im Stich gelassen.“

Capello weiß um den Zorn im Land und will deswegen zuerst seine Stammelf spielen lassen. Sie sollen den Gegenwind ruhig zu spüren bekommen. Erst nach und nach will der 64-Jährige dann Debütanten wie Mittelstürmer Bobby Zamora (Fulham) oder das Arsenal-Duo Jack Wilshere und Kieran Gibbs einsetzen. In der Innenverteidigung könnte Michael Dawson (Tottenham Hotspur) zu seinem ersten Länderspiel kommen. Allzu große Veränderungen wird es wegen der relativ beschränkten Auswahl jedoch nicht geben: von den gescheiterten WM-Fahrern sind nur der weiche Sturmriese Emile Heskey (Rücktritt) und die beiden Traumahüter David James und Robert Green endgültig ausgeschieden.

Capello blieb nur aufgrund der hohen Kosten für seine Abfindung (um die 14 Millionen Euro) im Amt, das hat seine im Sommer leicht beschädigte Siegeraura zusätzlich angekratzt. Interessant wird sein, ob der erfahrene Coach dem schleichenden Prozess der Entfremdung zwischen sich und dem Team entgegenwirken kann. Es war bezeichnend, dass Keeper Paul Robinson und Verteidiger Wes Brown ihre Nominierung für das Ungarn-Spiel abwarteten, um sofort danach ihren Rücktritt zu erklären.

Alle hätten im Juni Fehler gemacht, betonte Capello, sprach aber konkret nur jene schon öfters zitierten „mentalen Probleme“ der Spieler an. Die Elf ist mitsamt ihren traditionellen Neurosen und Versagensängsten vielleicht schlichtweg ein aussichtsloser Fall, suggerierte seine Miene. Bei den Spielern kommt diese fatalistische Sicht der Dinge naturgemäß nicht gut an, doch sie können sich momentan kaum öffentlich wehren. Sie haben nur eine Chance zur Wiedergutmachung: gute Leistungen.

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