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Sport: Aufstieg durch Selbsthilfe

Der Karlsruher SC ist auf dem Weg zurück in die Bundesliga – und verlässt sich dabei auf heimische Spieler und Verantwortliche

In Karlsruhe scheint die Sonne 1500 Stunden im Jahr, so viel wie nirgendwo sonst in Deutschland. Das ist schön für die Karlsruher, aber es hilft ihrem Fußballklub wenig, wenn er unter Flutlicht spielen muss. Mit dem Flutlicht ist das so eine Sache im Wildparkstadion: Die Glühbirnen werden nicht mehr hergestellt. „Die Stadt hat einen kleinen Vorrat angeschafft, aber der hält nicht mehr lange“, sagt Rolf Dohmen, und was sie beim Karlsruher SC machen, wenn die letzte Birne geplatzt ist, das weiß er auch nicht. Vielleicht morgens um neun spielen?

Rolf Dohmen steht als Sportdirektor für den sportlichen Aufschwung des KSC, und die Geschichte mit den Glühbirnen erzählt er gern, wenn man ihm sagt, es sei doch alles wunderbar. Immerhin ist der KSC als eine von nur zwei Mannschaften im deutschen Profifußball noch ungeschlagen, er drängt mit Macht zurück in die erste Liga. Dohmen sagt: „Natürlich wollen wir den Aufstieg, aber er ist kein Muss.“ Pause. „Aber das neue Stadion ist ein Muss. Sonst liegt unsere Zukunft in der dritten Liga, wenn überhaupt.“

Ja, das Stadion, hübsch gelegen in einer ausgedehnten Parklandschaft. Aber im Winter frieren die Rohre ein, die Laufbahn ist ein Stimmungstöter, und die Fankurve nennen sie hier Familienblock, weil in der Halbzeitpause die große KSC-Familie am Zaun beim Wasserlassen steht. Warum? Dohmen lacht. „Gehen Sie mal hier auf die Toilette – halt, nein, gehen Sie lieber doch nicht!“

Und trotzdem: In Karlsruhe herrscht Euphorie wie zuletzt in den Neunzigern, als der KSC unter Trainer Winfried Schäfer die Bundesliga aufmischte und im Uefa-Cup dem FC Valencia mit 7:0 aus dem Wildpark schoss. Doch es sind genau diese großen, vergangenen Tage, die Rolf Dohmen zur Vorsicht verleiten und zum Mahnen. Auf dass ein unverhoffter Aufschwung nicht noch einmal die Sinne vernebele wie unter Präsident Schmider und Trainer Schäfer. Die Mannschaft damals war teuer verstärkt worden und sollte unter dem Label „KSC 2000“ dauerhaft fit gemacht werden für die Bundesligaspitze. Der Karlsruher SC stieg im Jahr 2000 in die dritte Liga ab.

Gut acht Millionen Euro Schulden hat der Verein damals angehäuft. Knapp fünf Millionen sind noch übrig, aber Rolf Dohmen spricht nicht gern von Schulden, sondern von Negativkapital, das der Verein abzutragen habe, jedes Jahr ein bisschen. Der Etat für diese Saison beträgt gerade 4,5 Millionen Euro. Dohmen erlebte die Jahre des Niederganges in Berlin, wo er den 1. FC Union mittelfristig zu einem Bundesligisten machen wollte. Das Projekt misslang, aber immerhin vermittelte er den Filmhändler Michael Kölmel nach Berlin, ohne dessen finanzielles Engagement es den Verein wahrscheinlich gar nicht mehr geben würde. Das verbindet Union mit dem KSC. Kölmel ist in Karlsruhe geboren, und als es dem Verein ganz schlecht ging und der Filmbranche noch sehr gut, hat er seinem Heimatklub mal eben 15 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Diese Einlage, bis heute unangetastet, ist die Existenzgrundlage des KSC.

Kölmels Millionen stehen für den neuen Weg am Wildpark. Es sind Karlsruher, die das Schicksal ihres Vereins in die Hand nehmen. Dohmen kommt zwar aus dem Rheinland, aber seine besten Jahre als Fußballprofi hatte er zu Beginn der Achtziger beim KSC, als eisenharter Verteidiger. Seit 2002 arbeitet er an der Rückkehr in die erste Liga. Mit Trainer Edmund Becker und dessen Assistenten Peter Gadinger hat er noch in derselben Mannschaft gespielt. Auch ein paar von den Helden der neunziger Jahre haben den Weg zurückgefunden: Rainer Schütterle ist Vizepräsident, Burkhard Reich und Rainer Krieg kümmern sich als Teammanager und Trainer um die zweite Mannschaft. Und im 24-köpfigen Zweitligakader haben zehn Profis ihre Ausbildung beim KSC erhalten, viele unter Becker. Becker hat sein halbes Leben in diesem Verein verbracht und war schon so gut wie alles: Spieler, Jugend- und Amateurtrainer.

Es ist eine schöne Pointe, dass der Cheftrainer seine unverhofften Erfolge mit den Spielern feiert, die er als ewiger Mann in der zweiten Reihe selbst hochgezogen hat. Becker mag über die vergangenen Jahre nicht viel reden, zur Charakterisierung der damaligen Klubführung genügt ihm die Vokabel „Bockmist“. Als der KSC unter dem jetzigen Bundestrainer Joachim Löw der Regionalliga entgegentaumelte, war Becker beurlaubt, weil seine Nase den Verantwortlichen nicht passte. Er bekam sein Geld, dass er dafür nicht arbeiten durfte, hat ihn fast um den Verstand gebracht.

Es gibt Tage, da bringt ihn auch sein Job als Cheftrainer um den Verstand. Der vergangene Montag war so ein Tag, Zweitliga-Gipfel gegen Rostock. 4:1 führte der KSC, doch eine Viertelstunde vor Schluss hatten sich die Karlsruher müdegelaufen. Am Ende hieß es 4:4, und Becker sprach von der „Naivität meiner jungen Mannschaft“ und davon, „dass wir uns dem kollektiven Freudentaumel im Wildparkstadion angepasst haben“.

Wie soll das erst in einem neuen Stadion werden, wenn die Laufbahn weg ist und die Zuschauer direkt an der Seitenlinie brüllen und die Mannschaft nach vorn treiben?

Wenn es nach dem KSC geht, wird ab Sommer 2007 das alte Stadion abgerissen und zugleich das neue gebaut. 55 Millionen Euro soll das Projekt kosten. Und wenn der Gemeinderat ablehnt bei der entscheidenden Sitzung am 23. Januar? „Dann geht hier alles den Bach runter“, sagt Dohmen, aber das mag er sich nicht vorstellen, denn was wäre denn die Stadt schon ohne ihren Fußballverein? Rolf Dohmen fragt: „Was fällt Ihnen denn ein, wenn Sie an Karlsruhe denken: der KSC oder das Bundesverfassungsgericht?“

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