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© - Foto: ddp

Aufstieg im Zeitraffer: Benjamin Becker ist einer der Favoriten in Halle

Vor zwölf Monaten war er nur ein Spieler, der als Namensvetter des dreimaligen Wimbledonsiegers interessant wurde. Aber heute fragt Benjamin Becker niemand mehr, ob er mit Boris Becker verwandt sei.

Am Samstag hat Benjamin Becker einen Wunsch frei. Er wird 26 Jahre alt und lange zu überlegen braucht er nicht: „Für die Teilnahme hier am Halbfinale würde ich gerne auf das Reinfeiern in den Geburtstag verzichten.“ Vor genau einem Jahr erschien der Saarländer beim Turnier im westfälischen Halle zum ersten Mal auf der großen Tennis-Bühne. Becker unterlag zwar in Runde eins, doch das Potenzial des Späteinsteigers war unübersehbar. Sein Aufstieg verlief wie im Zeitraffer, es schien fast, als brenne er darauf, keine Minute seines verkürzten Profi-Daseins ungenutzt zu lassen. Vor zwölf Monaten war er nur ein Spieler, der als Namensvetter des dreimaligen Wimbledonsiegers interessant wurde. Aber heute fragt ihn niemand mehr, ob er mit Boris Becker verwandt sei. Der „Aufsteiger der Saison 2006“ hat sich längst freigeschwommen.

Tennis spielte er schon von seinem achten Lebensjahr an, doch für eine Profikarriere fühlte er sich mit 18 Jahren nicht reif genug. Nach wenigen Monaten brach er den „Versuch“ ab und studierte stattdessen im texanischen Waco Wirtschaft und Finanzen, spielte jedoch in seiner dortigen College-Mannschaft weiter. Mit 25 Jahren schien die Zeit für einen zweiten Versuch gekommen und dieses Mal glückte er. Zu Beginn des Jahres 2006 wurde Becker noch an Position 419 der Rangliste geführt, im Dezember stand er bereits auf Platz 58. Keinem anderen Spieler in den Top 100 war ein größerer Sprung gelungen. „Ich hätte mir nie erträumt, dass ich so schnell so weit nach oben komme. Aber ich gewöhne mich langsam daran“, erzählt Becker, der bei den letzten US Open schnell zu Berühmtheit gelangte. Er schickte Andre Agassi im Achtelfinale in die „Rente“. Ausgerechnet ein gewisser „B. Becker“ beendete die Karriere des amerikanischen Superstars. US-Profi Andy Roddick witzelte daraufhin: „Er hat Bambi erschossen.“

Für Becker, der eigentlich gerne das Rampenlicht meidet, war es dennoch ein wichtiger Moment, in dem er bewies, dass er mit extremer Nervenbelastung umgehen kann: „Das Match gegen Agassi war das schönste und emotionalste bisher, da habe ich gespielt wie in Trance. Ich wollte nur gewinnen.“ Ab und zu schaut sich Becker die Partie noch einmal auf DVD an, „mit viel Gänsehaut“, wie er zugibt. Das Gänsehaut-Feeeling stellte sich bei ihm auch im Februar in Krefeld ein, als bei seinem Davis-Cup-Debüt die Nationalhymne erklang. Es gelang ihm zwar nicht, Punkte zum Sieg über die Kroaten beizusteuern, doch die Erfahrung war für ihn ungemein wichtig: „Es war die beste Woche meiner Karriere. Aber richtig begreifen oder genießen konnte ich es überhaupt nicht. Dann wollte ich auch noch übermäßig gut spielen, war nervös und wollte wohl einfach zuviel.“ Doch der Wille ist es auch, der Becker zu seinen starken Leistungen antreibt. Er arbeitet akribisch an seinen Schwächen, die derzeit noch auf Sandplätzen zu finden sind.

Benjamin Becker weiß genau, was er will, und er weiß vor allem, dass ihm weniger Zeit bleibt, als seinen Kollegen, die teilweise schon im Teenageralter Profi wurden. Das Maximale so schnell wie möglich aus sich herausholen, das ist Becker in seinem Debüt-Jahr nahezu perfekt gelungen. „Das letzte Jahr war wie ein Traum und den versuche ich noch ein bisschen weiter zu leben“, sagt Becker. In Halle könnte sich für ihn der Kreis schließen: „Es ist für mich wie nach Hause zu kommen. Und das nicht nur, weil meine ganze Familie gekommen ist.“ Ob es am Samstag eine Familienfeier der besonderen Art geben wird, bleibt abzuwarten. Siege wird Becker jedoch mit Sicherheit noch oft zu feiern haben.

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