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Sport: Aus dem Schatten

Das Profi-Radteam Coast hat Telekom als Nummer eins in Deutschland abgelöst – und hofft insgeheim auf Jan Ullrich

Kommt Jan Ullrich doch noch? Völlig verabschiedet hat sich Wolfram Lindner nicht von dem Gedanken, dass der Tour-Sieger von 1997 im kommenden Jahr für sein Team Coast fahren könnte. Zwar sagt der Sportliche Leiter des Teams seit Tagen stereotyp: „Es gibt keinen neuen Stand.“ Im selben Atemzug aber betont er auch: „Wenn Jan und sein Manager Strohband sich an uns wenden würden, müssten wir neu überlegen.“ Derzeit besteht für Lindner und Teampatron Günther Dahms dazu kein Anlass. Jan Ullrich, bis zum 23. März 2003 wegen Medikamenten-Missbrauchs gesperrt, hat mehrmals öffentlich die dänische Tiscali-Mannschaft seines Freundes Bjarne Riis favorisiert. Nur die Unterschrift unter dem Vertrag fehlt noch.

Reizvoll wäre ein Wechsel von Ullrich zu Coast allemal. Schließlich würde er erneut für die Nummer eins in Deutschland fahren. Bisher galt über Jahre hinweg die einfache Formel: Top-Radsport in Deutschland ist das Team Telekom; das Team Telekom ist Jan Ullrich; Jan Ullrich ist Weltspitze. Doch diese Formel stimmt nicht mehr . Telekom verlor Jan Ullrich, und sportlich lief es 2002 nicht wie gewohnt. Auch Erik Zabel konnte mit seinen Sprints den Absturz auf Rang zwölf in der Weltrangliste nicht verhindern. Die deutschen Konkurrenten Coast (6.) und Gerolsteiner (11.) zogen vorbei. Die Coast-Fahrer waren vor allem im Herbst besonders stark, mit Top-Platzierungen bei der Vuelta in Spanien. Das Problem: Kaum jemand hat es gemerkt. Erst als vor ein paar Wochen beide Teams zur Tour de France 2003 zugelassen wurden, horchte die Allgemeinheit auf.

„Ich sehe eine Parallele zum Tennis. Früher drehte sich alles um Graf und Becker, mittlerweile ist es ruhig ums Tennis geworden“, sagt Wolfram Lindner. Der ehemalige DDR-Nationaltrainer aber mag sich nicht damit abfinden, dass es für Coast im Radsport genauso laufen soll. Schließlich hat er seit 2001, mit den Millionen des Essener Modeketten-Besitzers Dahms im Rücken, das Team in die Spitze der höchsten Radsport-Kategorie gebracht. Jener Wolfram Lindner, der Olaf Ludwig 1988 zum Olympiasieg geführt hatte, an der Seite der Amateur-Weltmeister Bernd Drogan, Uwe Raab und Uwe Ampler war und nach der Wende in seinen „vier Lehrjahren in der Schweiz“ Pascal Richard, Alex Zülle und Oscar Camenzind zu Weltmeistern machte.

Nur eines ist Lindner bisher nicht gelungen: einen neuen deutschen Star aufzubauen. Zwar fuhren für Coast namhafte Profis wie der Schweizer Zülle und die Spanier Angel Casero, dessen Landsmann Fernando Escartin beim Giro d’Italia sogar einen achten Platz für Coast herausfuhr. Für Schlagzeilen reichte das nicht. Mit Jan Ullrich, „der Spitze als Zeitfahrer ist und gut die Berge hochkommt“ (Lindner), würde sich das wohl ändern.

Doch der erfahrene Trainer sieht auch die Gefahr, die sich mit der ganzen Ullrich-Geschichte verbindet. „Niemand weiß doch wirklich, wie sein lädiertes Knie zukünftig auf die Belastungen reagieren wird“, gibt er zu bedenken. „Nur, wenn er richtig gesund ist, dann wäre er eben der Einzige, der Lance Armstrong bei der Tour de France gefährlich werden könnte. Das macht ihn so interessant für alle.“

Offiziell plant Coast ohne Ullrich. Bei der Teampräsentation will Lindner 20 Fahrer vorstellen. Termin: Anfang Dezember. Bis dahin könnte man den Kader auch auf 21 Fahrer ausbauen.

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