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Sport: Aus Gott wurde Mensch

Mit fünf Goldmedaillen ist Michael Phelps der Star von Athen, aber Mark Spitz’ Bestmarke von 1972 war auch für ihn eine Nummer zu groß

Michael Phelps hat in Athen nur Eminem unmittelbar vor seinen Starts an sich herangelassen. Der 19-jährige Schwimmer hörte die Musik des Rappers aus den Kopfhörern in einem tranceartigen Zustand. Der US-Amerikaner sah in solchen Momenten aus, als könnte er alles Störende um sich herum einfach ausknipsen. Sein Trainer Bob Bowman sagt: „Was Michael von anderen Schwimmern unterscheidet, sind seine mentalen Fähigkeiten.“ Das ist einer der Gründe, die den Schwimmer Phelps zum lebenden Denkmal erheben.

Phelps hatte bis zum Sonnabend fünf Goldmedaillen in Athen gewonnen, die vorerst letzte am Freitagabend über 100 m Schmetterling. Er hat dabei Ian Crocker besiegt, das war wichtig. Crocker hatte ihn bei der Olympia-Qualifikation besiegt, er hatte ein paar Kratzer ins Denkmal Phelps geritzt. Doch nun ist klar: Phelps ist die Nummer eins. Das ist die Botschaft seines Siegs.

Man konnte in Athen zu Beginn der Schwimm-Wettbewerbe auf den Gedanken kommen, dass Gott heruntergestiegen sei, sich in eine schwarze Badehose gezwängt habe und sich der Menschheit mit überdimensionalem Kinn und abstehenden Ohren präsentiere. „Er ist nicht von dieser Welt“, schrieb die „Washington Post“. „Portrait eines Außerirdischen“, setzte „L’Equipe“ als Überschrift über eine Phelps-Geschichte. „In den USA zählt nur Phelps, Phelps, Phelps“, sagt ein Reporter von „USA Today“.

Aber ein Gott muss Wunder bewirken, sonst sind seine Anhänger enttäuscht. Ein Gott muss über menschliche Grenzen hinausgehen können, dazu ist er doch Gott. Michael Phelps aber bleibt unverändert ein Mensch. Er hat fünf Goldmedaillen, nicht sieben. Die waren aber der Maßstab. Sieben Goldmedaillen hatte Mark Spitz 1972 gewonnen, diese Marke sollte Phelps ebenfalls erreichen. Sein Sponsor bot ihm dafür eine Million Dollar. Es war von vornherein ein PR-Gag. Phelps verdient durch Sponsoren jährlich fünf Millionen Dollar, er braucht das Geld nicht.

Und jeder wusste, dass er nicht sieben Mal Gold gewinnen können würde. „Das schafft Niemand“, sagte der australische Superstar Ian Thorpe. Aber Phelps machte das Spiel mit. Und deshalb hat er jetzt nicht fünf Goldmedaillen gewonnen, sondern zwei verloren, deshalb mischen sich in die ganzen Jubelarien jetzt auch kritische Töne. „Durch diese übertriebene Erwartungshaltung macht es nicht viel Spaß, die Rennen zu beobachten“, schreibt die „International Herald Tribune“. „Es wäre so viel befriedigender, wenn man untertrieben hätte und jede weitere Goldmedaille als Überraschung empfinden könnte.“

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