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Sport: Aus Liebe zum Ball

Der Holländer Rafael van der Vaart macht beim HSV-Sieg gegen Frankfurt den Unterschied aus

Von Karsten Doneck, dpa

Rafael van der Vaart hob den Ball auf, drückte die feuchte Plastikhülle kurz an seine Lippen, dann legte er das Spielobjekt behutsam zurück auf den Rasen, um anschließend den fälligen Freistoß zu treten. „Ich habe den Ball geküsst. Das sollte mir Glück bringen. Schließlich habe ich schon lange kein Freistoßtor mehr geschossen“, erzählte der Spielmacher des Hamburger SV nachher. Eine kleine Zeremonie mit großer Wirkung: Van der Vaart brachte seine Mannschaft mit diesem Freistoß gegen Eintracht Frankfurt früh mit 1:0 in Führung. Beseelt durch das lange vermisste Erfolgserlebnis führte der kleine Holländer fortan eine an diesem Tag außerordentlich schlecht spielende HSV-Elf auch gleich noch zum 3:1 (1:0)-Sieg über die Hessen.

Kritik am Gesamterscheinungsbild der Hamburger wies van der Vaart mit einem entwaffnenden Lächeln im Gesicht zurück. „Uns bleiben die drei Punkte, das allein zählt“, sagte er. Im Abstiegskampf ist halt gröberes Fußwerk gefragt. Da zählt brachialer Kampf mehr als feinfühlige Ballbehandlung. Und doch vereint van der Vaart beide Elemente zu einem guten Ganzen. Er sucht die Zweikämpfe, lässt sich foulen, grätscht selbst, macht zur Balleroberung auch mal die weiten Wege – um dann doch in ein paar Momenten seinen künstlerischen Umgang mit dem Ball zur Schau zu stellen, und zwar nicht der Effekthascherei wegen. Vordergründig geht es bei ihm immer um Effektivität.

Van der Vaarts Haltung, dieses Lausbubenhafte in seinem Spiel, kommt an bei den HSV-Fans. Dem 23-Jährigen sind Starallüren fremd. Und seit er vor kurzem im DSF mal erklärt hat – vielleicht etwas unüberlegt –, er würde auch in der Zweiten Liga für den HSV spielen, hat er die Herzen der Hamburger erobert wie das zuvor als ausländischem Spieler allenfalls Kevin Keegan gelungen ist.

Eintracht Frankfurt war am Samstag gegen den HSV keinen Deut schlechter – oder, ganz wie man will, keinen Deut besser. Der Unterschied manifestierte sich bei 22 Spielern in einer Person: Rafael van der Vaart. „Ist Rafael gut, ist der HSV gut“, hat HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer mal gesagt. Eine These, die auch belegbar ist durch Zahlen. Vier Punkte holten die Hamburger aus den vier Spielen, in denen van der Vaart nach seinem Platzverweis gegen den VfL Bochum gesperrt war. Mehr als doppelt so viele, nämlich neun Punkte, glückten dem HSV in den vier Spielen, in denen van der Vaart nach seiner Rotsperre jetzt wieder dabei war.

„Ich alleine kann auch nicht alles richten“, hat van der Vaart mal gesagt. Aber er kann Begeisterung wecken, mitreißen. Da war zum Beispiel jene Szene gegen Frankfurt in der Nachspielzeit: Über die rechte Seite lief van der Vaart bei einem Konter alleine auf das gegnerische Tor zu. Er hätte die Situation selbst zum Abschluss bringen und seine Leistung damit krönen können. Doch er passte den Ball, akribisch genau, quer durch den Strafraum zum mitgelaufenen Stürmer Ivica Olic, der zum 3:1 vollendete. Instinktiv hatte van der Vaart in dieser Situation gespürt: Olic, zur Rückrunde von ZSKA Moskau verpflichtet, ist neu in der Mannschaft, auf dem Platz arbeitet und rennt er viel, doch sein Bemühen wurde bisher nicht belohnt. Eben dieser Olic brauchte ein Erfolgserlebnis. „Eine tolle Vorlage“, stammelte Olic nachher glückselig, „ich muss mich bei Rafael bedanken.“

Der HSV-Spielmacher dachte da schon gar nicht mehr an seine Uneigennützigkeit, die für ihn als Kapitän ohnehin keiner Rede wert ist. „Wir haben Glück gehabt“, gestand van der Vaart ein. „Wir sind in einigen Passagen des Spiels immer wieder unter Druck geraten.“ Dass der HSV sich dennoch schadlos hielt, lag nicht zuletzt an van der Vaart.

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