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Sport: Ausgelaugt und angeschlagen

Werder Bremen hat sich in eine Krise manövriert

Von Markus Hesselmann

Immerhin Autogramme schreibt Miroslav Klose noch. Fast 500 Zuschauer, zumeist Kinder, besuchen in den Osterferien das Training von Werder Bremen. Und die meisten sind wegen „Miro“ da. Kloses Torkrise hin oder her – ein Autogramm des WM-Torschützenkönigs ist immer noch viel wert. Also kritzelt Klose seinen Namen auf Bilder, Poster, Plakate, Fahnen, T-Shirts, ja sogar die nackte Haut. Manch einer mutmaßt vor dem Uefa-Cup-Viertelfinale gegen den AZ Alkmaar (20.45 Uhr; live bei Sat 1), das sei anstrengender gewesen als die Übungseinheiten selbst. Denn Trainer Thomas Schaaf hat die sportliche Belastung extrem gedrosselt. Nur eine Stunde lang beschäftigt der Trainer die Seinen.

Immerhin ist dabei zu erkennen, dass Tim Borowski genesen und tatendurstig ist, während Klose auch im Trainingsspiel nicht trifft. Wie der 28-Jährige sich selbst hier vergeblich um ein Tor müht, das produziert ein bedauernswertes Raunen am Eisenzaun. Der Frühling ist endlich auch in Norddeutschland angekommen, dennoch liegt eine merkwürdig gedrückte Atmosphäre über dem Areal am Osterdeich. Werder im Frühjahr 2007: Ein Verein, der so viel Mitglieder und Unterstützung eint wie nie zuvor in seiner Geschichte. Aber eine Mannschaft, die überspielt und ausgelaugt wirkt; ein Team, in dem es nicht mehr zu stimmen scheint, ein Kader, der die vielen Verletzten kaum noch kompensieren kann. Gut, Borowski und Frank Baumann kehren zurück, doch bis beide alte Klasse wiedergewinnen, könnte die Saison vorbei sein. Zu Ausfällen wie Ivan Klasnic, Pierre Womé oder Daniel Jensen haben sich jetzt auch noch Christian Schulz und Per Mertesacker gesellt – der 22-Jährige ist am Meniskus operiert worden. Ihn wird der Finne Petri Pasanen in der Abwehrzentrale vertreten. „Per ist Per, und ich bin Petri“, sagt der 26-Jährige lapidar. „Ich bin seit 15 Jahren Innenverteidiger, ich dürfte wissen, wie das geht.“ Aber es dürfte ihm kaum gelingen, so gut zu spielen wie zuletzt Mertesacker.

Auch das sind Krisensymptome in einem Klub, der kurioserweise national wie international prächtige Perspektiven besitzt: Es brechen immer mehr Konstanten weg. Die treuen Fans in der Ostkurve sind sauer, weil sie sich von der Geschäftsführung seit geraumer Zeit gegängelt fühlen – zuletzt gegen den 1. FC Nürnberg verweigerten sie fast eine halbe Stunde lang die Unterstützung. Die nicht minder treuen Dauerkartenbesitzer sind enttäuscht, weil sie jahrelang nur begeisternden Vorwärtsfußball gesehen haben – nun haben mehrere tausend Stammzuschauer ihr Vorkaufsrecht fürs Alkmaar-Spiel nicht wahrgenommen. Dem Publikum ist ein Rätsel, wie das kombinationsfreudige Ensemble zu einer biederen Elf mutieren konnte, die sich vor einer Woche in Alkmaar mit nur noch 35 Prozent Ballbesitz und einem 0:0 begnügte.

Die spielerische Armut ist auch Resultat selbst verursachter Probleme. Wenn ausgerechnet die Meinungsmacher Klose und Torsten Frings wochenlang ihre Wechselgelüste ausleben und trotz üppiger Angebote zur Vertragsverlängerung das Bekenntnis zu Bremen vermissen lassen, nervt das die Mitspieler. Und dann wird der Zwiespalt auf dem Platz sichtbar – etwa in Form fehlender Laufbereitschaft. Sportchef Klaus Allofs ärgert dies. Nun erneuert er den Druck auf seine Stars: „Wir müssen schnell Bescheid wissen und eine Mannschaft zusammenstellen. Das macht man im Idealfall nicht nach dem Ende einer Saison.“ Gerade im Fall der Identifikationsfigur Frings sind viele im Verein enttäuscht. Allofs sagt: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir die Abgänge immer verkraftet haben.“

Etwa auch im Meisterjahr 2004 jenen von Ailton Goncalves da Silva. Was für ein Zufall, dass die brasilianische Sturmdiva, bei Grashoppers Zürich gerade gesperrt, über die Ostertage das Weserstadion besuchte. Unter lautstarkem Gegröle platzte der 33-Jährige nach dem Nürnberg-Spiel in die Kabine. Und gab sogleich noch seinem Nachfolger Klose öffentliche Tipps gegen die Erfolglosigkeit. „Bleibe ruhig, trainiere härter, arbeite konzentrierter.“ Ferner hat Ailton wieder sein Engagement angeboten. „Wenn Werder mich braucht, bin ich da. Aber das müssen Thomas Schaaf und Klaus Allofs entscheiden.“ Die beiden haben über die Offerte nur müde gelächelt. Obwohl Ailton eigentlich Klose gut entlasten könnte. Zumindest beim Autogrammeschreiben.

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