zum Hauptinhalt

Auslaufen mit Lüdecke: Hertha ist Mittelmaß. Freut euch doch mal!

Keine Europa League, kein Abstieg: Hertha ist Mittelmaß. Viele Fans sind darüber verbittert - dabei ist die heutige Hertha im Vergleich zur Babbel-Truppe ein großer Fortschritt, meint unser Kolumnist.

Heute möchte ich ein wenig konkreter werden. Also ein 0:3 zu Hause gegen die schlechteste Auswärtsmannschaft, ja stimmt, ist nicht so toll. Vor allem wenn man im Stadion sitzt und 35 Euro für die Karte bezahlt hat. Oder mehr. Ich habe es im Fernsehen verfolgt, da beruhigt man sich schneller. Der Reporter bescheinigte Hertha zumindest in der ersten halben Stunde Überlegenheit, Laufbereitschaft und alle sonstigen Zutaten, die man benötigt, um ein Spiel zu gewinnen. Nur eben Tore nicht. Schade. Nun sind viele Fans verbittert. Ich schätze die Lage anders ein. Erst mal muss man dem Verein ein Kompliment machen: Die Mannschaft ist Mittelmaß. Das ist schon mal ein Fortschritt gegenüber vergangenen Spielzeiten. Und sie kommt sympathisch rüber, was auch am neuen Spielleiter liegt. Dieses Team kann aufgrund taktischer Finessen und großem Einsatzwillen ein unbequemer Gegner sein. Vor allem gegen Mannschaften, die eigentlich besser sind. Dann muss aber alles zusammenpassen. Wenn Ramos schlecht drauf ist, wird’s schwierig. Der Kolumbianer ist statistisch gesehen an 103 % aller Hertha-Tore beteiligt.

In den einschlägigen Foren liest man jetzt selbstverständlich das Übliche: Versager! Abstieg! Verwöhnte Star-Kicker! Leute, ihr irrt. Ich weiß es besser. Wirklich! Jeder, der den Verein über längere Zeit verfolgt, sollte es besser wissen. Wie kann man diese Mannschaft mit der Babbel-Truppe vergleichen? Oder Luhukay mit dem tätowierten Hotelgast?

Mit einer gewissen Distanz sieht die Sache anders aus. Nehmen wir Skjelbred. Er läuft viel, ist ein Kämpfer und verfügt über ein tolles Kurzpassspiel. Aber er kann nicht schießen. Das ist schade. Gerade für einen Fußballspieler. Allerdings: Hätte er auch noch einen guten Schuss, wäre Hertha BSC nicht sein Arbeitgeber. Oder Schulz. Er ist schnell. Würde diese Sportart ohne Ball gespielt, Schulz wäre Weltklasse. Oder Marcel Ndjeng. Bei ihm beobachte ich seit einiger Zeit, wie er in jedem Spiel drei-, viermal denselben Trick versucht: Er spielt den Ball rechts am Gegenspieler vorbei und will dann links überholen. Auf halber Strecke merkt er: Holla! Für diesen Trick bin ich ja zu langsam! Um ihn dann zu wiederholen ...

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

© dpa

Trotzdem bleibe ich dabei. Diese Truppe ist absolut in Ordnung und hat uns eine prima Saison beschert. Keine Europa League, kein Abstieg. Aber sympathisches Mittelmaß. Und mein Gefühl sagt mir, da kommen noch bessere Zeiten ...

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga

Frank Lüdecke

Zur Startseite