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Sport: Auslaufmodell war ich gestern

Mit neuem Trainer und neuem Selbstvertrauen will Roger Federer noch einmal angreifen. Der Schweizer Tennisstar sieht sich als Favorit auf den US-Open-Titel

Im Trubel des bunten und hektischen Treibens auf der Anlage in Flushing Meadows fand selbst Roger Federer mal einen ruhigen Moment. Im lauschigen Garten des Spielerbereichs traf er sich am Freitagnachmittag mit einem guten Freund, dem französischen Fußballer Thierry Henry, inzwischen in Diensten der New York Red Bulls. Lange hockten sie zum Plausch beieinander, und gut möglich, dass Henry dem Schweizer dabei von seinen Erfahrungen erzählte. Davon, wie es ist, wenn die Medien bittere Abgesänge auf die einst doch so glorreiche Karriere schreiben.

„Ich habe die Zeitungen nicht mehr gelesen, als ich merkte, in welche Richtung die Berichte gingen“, sagte Federer in New York. Wie sehr ihn die Schlagzeilen über das Ende seiner Ära geärgert hatten, war ihm deutlich anzumerken. Vor zwei Monaten war der 16-malige Grand-Slam-Turnier-Sieger erstmals seit acht Jahren nicht ins Endspiel von Wimbledon eingezogen, sondern bereits im Viertelfinale am Tschechen Tomas Berdych gescheitert. Dass Federer danach Schmerzen in Rücken und Bein als Entschuldigung anführte, brachte ihm einen bösen Rüffel von der Presse ein. Mehr noch nervten ihn aber die Berichte, die ihm danach bescheinigten, seine Zeit als alles dominierender der Tennisspieler sei abgelaufen. „Ich habe in den vergangenen zwölf Monaten zwei Grand Slams gewonnen und war meistens die Nummer zwei der Welt – das ist wirklich ein tolles Tief“, monierte Federer trotzig.

Doch die Zweifel nehmen zu. Zweifel, ob der inzwischen 29-jährige Vater von Zwillingstöchtern noch jenen Hunger auf Siege verspürt, wo er doch schon alles erreicht hat. Und sein Körper, der ihm nur selten in seiner Karriere Probleme bereitete, meldet sich immer öfter. Zudem haben die zehn Niederlagen der Saison gegen teils wenig namhafte Gegner Spuren hinterlassen. Die Aura der Unbesiegbarkeit ist längst zerstört. Inzwischen traut sich fast jeder Spieler einen Sieg gegen den Ausnahmekönner zu. Aber es ist nicht so, dass Federer die Warnsignale in dieser so sensiblen Phase seiner Karriere nicht wahrgenommen hätte. Nach Wimbledon machte er mit der Familie auf einer Luxusyacht vor Korsika Urlaub, um über die Niederlage hinwegzukommen. Um in sich zu gehen. Sechs Wochen lang spielte er kein Turnier. „Diese Pause war die wichtigste Entscheidung für den Rest des Jahres. Ich fühle mich sehr fit, gesund und bereit für die US Open“, sagte Federer, der eine weitere, wohl ebenso wichtige Entscheidung in dieser Zeit traf: Er verpflichtete nach einer kurzen Probephase in Paul Annacone nach sieben Jahren wieder einen Vollzeit-Trainer.

Die Zusammenarbeit zwischen Federer und dem Ex-Coach von Pete Sampras zeigte bei den Turnieren vor den US Open erste positive Auswirkungen. Federer suchte vermehrt den Weg ans Netz, spielte seine oft zu passive Rückhand nun aggressiver. Der Lohn war der Sieg in Cincinnati, Federers erstem Titel seit den Australian Open im Januar. „Paul bringt sehr viel Erfahrung mit, er ist ein sehr netter, ruhiger Typ“, sagte Federer, der Annacone zunächst mittelfristig verpflichtete: „Wir Schweizer denken ja eher in Minuten und nicht in Wochen. Wir werden sehen.“

Doch Annacone weiß, wie es um Federer steht. Er hatte vor knapp zehn Jahren mit Sampras das Gleiche erlebt, als sich dessen Karriere dem Ende neigte. Dieses Wissen könnte Federer nun helfen, aus den Rückschlägen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und der Druck lastet schwer auf dem fünfmaligen US-Open-Champion. Den Auftakt gegen Weltranglisten-96. Brian Dabul aus Argentinien meisterte er souverän. Mit 6:1, 6:4 und 6:2 war es nicht mehr als ein lockeres Trainingsmatch für Federer. Dennoch muss er es seinen Kritikern und auch sich selbst weiterhin beweisen. Schließlich betont Federer, er könne es noch auf 20 Grand- Slam-Titel bringen. Seit dem Sieg in Cincinnati sieht sich Federer selbst als Favorit auf den Titel in New York, wo er im Vorjahr in fünf Sätzen gegen Juan Martin del Potro verloren hatte. „Es war damals sehr enttäuschend“, sagt Federer. „Es war eines der Finals, die ich niemals hätte verlieren dürfen. Das passiert mir nicht noch einmal.“ Rücktrittsgedanken klingen anders.

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