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Australian Open: Flucht in den Kühlschrank

Die extreme Hitze bereitet den Tennisprofis in Melbourne Probleme – Titelverteidiger Novak Djokovic muss entkräftet aufgeben.

Novak Djokovic schloss die Augen und genoss die wohltuende Abkühlung, die das Eis in seinem Nacken auslöste. Es war zu Beginn des dritten Satzes seines Viertelfinals gegen Andy Roddick, als der Serbe sich am gesamten Körper mit Eiswürfeln abreiben ließ. Immer wieder schüttete er kleine Portionen Magnesium in sich hinein und trank Unmengen Wasser. Einen Satz lang versuchte es der 21-Jährige noch, dann hielt Novak Djokovic die heiße Nachmittagssonne in der Rod-Laver-Arena nicht mehr aus. Beim Stand von 7:6 (7:3), 4:6, 2:6, 1:2 gab der Titelverteidiger auf. Djokovic wird wohl nicht der Letzte sein, dem die extreme Hitze in der zweiten Woche der Australian Open zu schaffen macht: In den kommenden Tagen soll es noch heißer werden in Melbourne.

„Die Bedingungen waren extrem“, sagte Djokovic später. „Ich habe Krämpfe am ganzen Körper bekommen und konnte nicht mehr aufschlagen. Es ist enttäuschend, so auszuscheiden.“ Innerhalb von nur fünfzehn Minuten stieg das Thermometer gestern von 26 auf 38 Grad – genau in jener Zeit, als Novak Djokovic auf dem Center Court seine Eiswürfelmassage benötigte. Die Prognosen für die nächsten Tage sehen Schlimmeres voraus: Vier Tage in Folge soll nun die 40-Grad-Marke überschritten werden – das gab es selbst im Süden Australiens, wo man extreme Temperaturen gewohnt ist, seit hundert Jahren nicht mehr. Die Feuerwehr rüstet sich gegen Waldbrände und erinnert die Bevölkerung an den „Ash Wednesday“ 1983, als schlimme Brände in den Bundesstaaten Victoria und South Australia 47 Menschenleben forderten.

Kein Wetter, bei dem ein Tennisprofi gern zur Arbeit geht. Als Fernando Verdasco hörte, unter welchen Bedingungen er sein heutiges Viertelfinale gegen Jo-Wilfried Tsonga spielen wird, schlug er vor: „Ich werde einfach in den Kühlschrank gehen und für einige Tage nicht mehr herauskommen.“ Der Spanier wurde wie schon bei seinem Achtelfinalsieg gegen den Schotten Andy Murray auf das Nachmittagsspiel gesetzt – zur heißesten Zeit des Tages. Anna-Lena Grönefeld bekam gestern ebenfalls die Hitze der Mittagssonne zu spüren, als sie im Doppel mit ihrer schweizer Partnerin Patty Schnyder ihr Viertelfinale 6:0, 5:7, 1:6 verlor. „Auf dem Platz ist es noch mal heißer, weil der Boden sich aufheizt“, sagte die 23-Jährige. „Die Füße werden richtig heiß.“

Obwohl die Australian Open als einziges Turnier eine „extrem heat policy“ haben – einen Plan, was bei einer solchen Hitze getan werden soll –, sahen die Schiedsrichter gestern zunächst davon ab, das Regendach der Rod-Laver-Arena zu schließen. „Man darf dafür nicht die Temperatur allein heranziehen“, sagte eine Sprecherin des Turniers. „Auch der Wind und die Luftfeuchtigkeit spielen eine große Rolle.“ Man habe alle Faktoren zusammengenommen und dann entschieden, das Dach offen zu lassen. „Wir versuchen, für alle faire Verhältnisse zu schaffen“, sagte die Sprecherin.

Djokovic fand es nicht fair, dass sein Wunsch, am Abend zu spielen, nicht berücksichtigt wurde. „Da gab es wohl andere Interessen“, vermutete der Serbe. Das Spiel der Australierin Jelena Dokic war einmal mehr zur Fernseh-Primetime um 19.30 Uhr angesetzt worden – ihr Durchmarsch endete gestern mit einer 4:6, 6:4, 4:6-Niederlage gegen Dinara Safina aus Russland. Anschließend deklassierte Publikumsliebling Roger Federer einen eingeschüchterten Juan Martin Del Potro in nur 80 Minuten 6:3, 6:0, 6:0.

„Ich finde es nicht fair, das eine Viertelfinale in der Mittagshitze um 1.00 Uhr spielen zu lassen und das andere abends um 7.30 Uhr. Das sind wirklich zwei unterschiedliche Spiele“, befand auch die Französin Marion Bartoli. Die Bezwingerin der Weltranglistenersten Jelena Jankovic kam mit der Hitze so gar nicht zurecht und verlor ihr Spiel gegen Vera Swonarewa aus Russland glatt 3:6, 0:6.

Weniger Probleme hatte Andy Roddick. „Nach all den Vorhersagen hatte ich mir die Hitze schlimmer vorgestellt“, sagte der US-Amerikaner und löste Zweifel an Djokovics Aufgabe aus. Bereits zum vierten Mal beendete dieser ein Grand-Slam-Turnier vorzeitig. „Man kann nicht alle Spielerwünsche erfüllen“, sagte auch der Weltranglistenzweite Roger Federer. „Novak hätte sicher nicht aufgegeben, wenn er zwei Sätze in Führung gewesen wäre.“

Im klimatisierten Raum der Pressekonferenz war bei Novak Djokovic auch keine Schwäche mehr zu erkennen. Er sah das ähnlich: „Jetzt würde ich gern noch mal raus gehen und den vierten Satz spielen.“

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