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Geht doch! Im Hinspiel erkämpfte Hertha nach 0:2-Rückstand noch ein 2:2 . Hier trifft Ondrej Duda zum Anschluss. Foto: Michael Kappe/dpa

© picture alliance / Michael Kappe

Auswärtsspiel in München: Wie Hertha BSC beim FC Bayern siegen kann

Die Berliner warten seit 1977 auf einen Sieg beim FC Bayern - dabei besteht durchaus Grund zur Hoffnung.

Im Herbst 1977 befindet sich die Bundesrepublik in Aufruhr, die Aktivitäten der zweiten RAF-Generation erreichen mit der Entführung der „Landshut“ ihren Höhepunkt. Der „Spiegel“ widmet seine Titelgeschichte im Heft 44 Bundeskanzler Helmut Schmidt und den Geschehnissen in Mogadischu und nennt ihn den „bewunderten Deutschen“. In den Single-Charts stürmt Boney M. mit ihrem Song „Belfast“ an die Spitze, der amtierende Formel-1-Weltmeister heißt Niki Lauda, der Deutsche Meister Borussia Mönchengladbach. Obendrein mustert die Bundesbahn ihre letzte Dampflok aus – und in New York erklärt der wohl größte Fußballer der Geschichte, ein gewisser Pelé, mit 36 Jahren das Ende seiner ruhmreichen Karriere und trägt unter dem Jubel Zehntausender ein letztes Mal das Cosmos-Trikot.

Wer sich diese Fakten noch einmal vor Augen führt, kann im Grunde kaum glauben, dass eine der längsten Negativserien der Bundesliga-Geschichte im Herbst vor 41 Jahren ihren Anfang nahm. So historisch ist die Dimension, so aus der Zeit gefallen klingen die Namen.

Seit dem 29. Oktober 1977 wartet Hertha auf einen Sieg in München

Am 29. Oktober 1977 schafft es Hertha BSC zum zweiten und bisher letzten Mal, einen Sieg vom Auswärtsspiel beim großen FC Bayern mitzubringen. „Wir sind damals fast immer chancenlos nach München gefahren“, erinnert sich Bernd Gersdorff, seinerzeit Torschütze zum finalen 2:0. „Aber so chancenlos, wie die meisten Teams mittlerweile sind, waren wir nicht“, ergänzt der 71-Jährige, „heute braucht man ja mehr als glückliche Umstände, um dort zu gewinnen.“

Aller Aussichtslosigkeit zum Trotz hat der Stab von Hertha BSC am Freitag die Reise in den Süden der Republik angetreten, um das Gesetz der Serie endlich auszuhebeln. Ab 15.30 Uhr (live bei Sky) geht es für die Mannschaft von Trainer Pal Dardai auch darum, beim Rekordmeister die außerordentlich dürftige Leistung gegen Mainz 05 im letzten Heimspiel vergessen zu machen. „Vor dem Anpfiff müssen wir gar nicht viel erzählen“, sagt Dardai. „Viererkette, Fünferkette, Zehnerkette, das ist alles egal“, ergänzt der Ungar, „jeder soll Spaß haben und genießen, dass er gegen die ganz großen Stars spielen darf.“ Besonders optimistisch klingt das allerdings nicht, dabei haben die Berliner durchaus Grund zur Hoffnung; schließlich sind sie der einzige Bundesligist, der zuletzt zwei Mal in Folge nicht gegen die Bayern verloren hat. Nach dem Hinspiel in der Saison 2017/18 – Endstand: 2:2 – sahen sich die Münchner gar genötigt, ihren Lieblingsaushilfstrainer Jupp Heynckes zum vierten Mal zum Cheftrainer zu befördern – mit bekanntem Ausgang: Seitdem der 72-Jährige an der Seitenlinie steht, ist der Meisterschaftskampf etwa so spannend, wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen.

Um die nächste Stufe, um also einen Sieg in München zu erreichen, hat Pal Dardai dieser Tage ungewöhnliche Wege beschritten. „Ich war in der Bibliothek und habe das Buch gesucht, wie man Bayern München schlägt“, sagt Herthas Trainer, „aber das gibt es leider nicht.“ Auch Manager Michael Preetz befürchtet, „dass sich das Spiel zu großen Teilen in unserer Hälfte abspielen wird.“ Dardai verspricht in jedem Fall: „Wir werden uns etwas einfallen lassen.“

An der Herangehensweise gegen große Gegner habe sich über die Jahre und Jahrzehnte ohnehin wenig geändert, da kann sich das Fußballspiel noch so sehr weiterentwickelt haben, findet Gersdorff. Der bestritt auch zwölf Spiele für die Bayern und verfolgt weiter beide Klubs regelmäßig. „Wenn man dort nicht mutig spielt, wenn man sich einmauert und mit elf Leuten in der eigenen Hälfte steht, kann man auch gleich zu Hause bleiben.“

Gegen starke Teams tut sich Hertha leichter

Genau diese Mentalität haben sie beim Berliner Bundesligisten zuletzt ablegen können. „Es ist gar nicht böse gemeint, aber als ich in meinem ersten Trainerjahr bei den Profis war, sind wir nach Dortmund oder München gereist und wollten nicht mal die Tasche mitnehmen“, sagt Dardai. „Wir wollten schnell hin und schnell wieder weg“, ergänzt er, „in diesem Bereich sehe ich große Fortschritte.“ Tatsächlich tut sich Hertha gegen die favorisierten, spielstarken Teams der Liga leichter als gegen vermeintlich schlagbare Gegner; als Beleg dafür dienen die überraschenden Auswärtssiege in Leipzig und Leverkusen sowie die Unentschieden in den Heimspielen gegen Borussia Dortmund und den FCB – oder eben als negatives Beispiel das 0:2 am vergangenen Freitag gegen Mainz 05. „Hertha hat sich von außen betrachtet extrem positiv unter Pal Dardai entwickelt. Früher, in den 70er und 80er Jahren, waren wir mit Schalke die Skandalklubs der Liga“, sagt Gersdorff. Einen Kritikpunkt findet er trotzdem. „Ich komme einfach nicht dahinter, warum die Mannschaft derart schwankende Leistungen zeigt.“ Dardai hat dafür zumindest einen Erklärungsansatz: „Unsere Vision ist, dass wir in Zukunft mit den großen Teams mithalten können. Aber das ist eine Entwicklung, die man Schritt für Schritt machen muss“, sagt er. „Hoffnung gibt es immer.“

Bislang haben es die Berliner bei Dienstreisen nach München ja eher mit einem wunderbaren Plakat der Satirepartei „Die Partei“ aus dem letzten Bundestagswahlkampf gehalten. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, stand darauf in Großbuchstaben geschrieben, „aber sie stirbt.“

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