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Elbe

© dpa

Auszeichnung: Der Schatten sprintet mit

Hürdenläuferin Anne-Kathrin Elbe hat Dopingtrainer Springstein entlarvt, dafür wird sie ausgezeichnet.

Berlin - Heidi Krieger war mal eine bärenstarke Kugelstoßerin, sie gehörte zum Dopingprogramm der DDR, sie wurde 1986 Europameisterin. Jetzt sind ihre Muskeln noch größer, ihre Schultern noch breiter, und die Stimme ist noch tiefer. Nur heißt Heidi jetzt Andreas. Die männlichen Sexualhormone, die in ihren Körper gepumpt wurden, waren so stark dosiert, dass die Kugelstoßerin eine Geschlechtsumwandlung machen ließ.

Anne-Kathrin Elbe weiß das jetzt alles, sie hat es im Internet nachgelesen. Es wäre ihr peinlich gewesen, sagt sie, nichts über Heidi Krieger zu wissen. Schließlich erhält sie heute in Berlin den Heidi-Krieger-Preis, überreicht vom Dopingopfer-Hilfeverein. Eine wertvolle Auszeichnung für Mut und Einsatz im Anti-Dopingkampf. Die Hürdensprinterin Elbe hatte durch Aussagen vor Gericht dafür gesorgt, dass ihr damaliger Trainer Thomas Springstein zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde. 2003 hatte er ihr in Magdeburg ein Dopingmittel gegeben, 2006 wurde er verurteilt.

Anne-Kathrin Elbe, 20 Jahre alt, seit 2004 mit Wohnsitz in Leverkusen, ist gerade Zweite mit der 4-x-100-Meter-Staffel bei den U-23-Europameisterschaften geworden, aber das interessiert weniger. Anne-Kathrin Elbe ist für Medien und viele andere mit dem Namen Springstein verbunden, als wären beide aneinandergekettet. „Allmählich möchte ich auch mit Leistungen in Verbindung gebracht werden“, sagt sie. Schlimmer noch aus ihrer Sicht: Die Rollen, Opfer und Täter, verwischen sich. Bei einem Meeting in Mannheim schlenderte ein Jugendlicher an ihr vorbei und raunte seinem Freund zu: „Das ist die Elbe, die hat gedopt.“ Die Sprinterin war „fassungslos“.

An ihrer Schule in Leverkusen sollte sie mal über ihre Erfahrungen mit Doping reden, sie hat darauf verzichtet. „Die anderen haben mich schon ein wenig mit meiner Geschichte aufgezogen, das wollte ich nicht noch fördern. Die wussten ja nicht genau, was damals passiert war.“ Ihre alte Trainingsgruppe in Magdeburg wurde deutlicher. Als Anne-Kathrin Elbe ihre früheren Vereinskolleginnen bei einem Lehrgang in Magdeburg wiedersah, reagierten die abweisend. Irgendjemand steckte ihr noch einen Zettel zu, Aufschrift: „Danke“. Keine Anerkennung, pure Ironie, da ist sich Elbe sicher. Bei diesem Lehrgang, kurz vor dem Prozess, traf sie auch unerwartet Springstein. Beide waren verdattert, Elbe konnte an dem Tag nicht mehr trainieren. Am „härtesten“ aber traf es die Sprinterin, dass ihre frühere Trainerin Carla Bodendorf, eine Vertraute Springsteins, sie jahrelang nicht grüßte.

Die Erfahrung hat die 20-Jährige misstrauisch gemacht. Nachdem sie Springstein entlarvt hatte, gab sie zwei Jahre lang zur Sicherheit ihre Wasserflaschen ihrem Trainer, es hätte ja jemand etwas reinmischen können. Und jedes Medikament, das ihr gegeben wird, lässt sie im Dopinglabor in Köln untersuchen.

„Ich frage lieber fünfmal nach“, sagt sie in einem Tagungsraum in Berlin. Gerade ist dort das Doping-Sachbuch „Der verratene Sport“ des Dopingexperten Werner Franke vorgestellt worden. Ein Kapitel widmet sich auf der Geschichte der Anti-Doping-Kämpferin Elbe. Doch die will eigentlich nur Hürdensprinterin sein, eine Frau, die irgendwann 13,00 Sekunden laufen will. Ihre aktuelle Bestzeit: 13,27 Sekunden.

Der Weltrekord steht bei 12,21 Sekunden, das weiß Anne-Kathrin Elbe. Sie weiß aber schon nicht mehr, dass ihn die Bulgarin Jordanka Donkowa seit 1988 hält, aufgestellt in Zeiten staatlichen Dopings. Solche Leistungen sind nicht die Welt der Anne-Kathrin Elbe. „Wenn ich mich mit solchen Zeigten beschäftigen würde“, sagt sie, „wer weiß, ob ich da nicht auf dumme Gedanken kommen würde.“

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