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Sport: Bälle, die die Welt bedeuten

Alba und das Deutsche Theater verbinden im Jugendcamp Sport und Kunst.

Berlin - Einwurf an der Seitenlinie, Pass zurück zur Aufbauspielerin, der Center kommt herangesprintet, ein genaues Anspiel – Dunking. Oder doch Kunst? Was die Jugendlichen im Nieselregen auf dem Sportplatz neben dem Deutschen Theater trainieren, liegt irgendwo zwischen sportlicher Ertüchtigung und künstlerischem Ausdruck. Der Ehrgeiz ist echt, die Anweisungen der Trainerin bestimmt – einen Ball sucht man aber vergeblich. In diesen Herbstferien geht es dem Jugendprogramm des Deutschen Theaters genau darum: In einem gemeinsamen Workshop mit Jugendtrainern von Alba Berlin will das „Junge DT“ Grenzen und Gemeinsamkeiten von Sport und Kunst ausloten. Am Sonnabend werden die knapp 60 Teilnehmer zwischen 11 und 21 Jahren die Ergebnisse ihrer Arbeit in den Kammerspielen des DT präsentieren (16 Uhr, Schumannstraße 13a in Mitte, Eintritt frei).

Bis dahin steht den Jugendlichen in ihren sechs Arbeitsgruppen noch einiges bevor. Texte wollen geschrieben sein, Dialoge geprobt, Kostüme müssen gebastelt und anprobiert werden – und die Laufwege im Basketballsystem „5-out motion cut and fill“ sitzen auch noch nicht richtig. Nach jedem Pass schneidet ein Spieler zum Korb, der nächste rotiert in die Position des ersten, alle sind in Bewegung. „Und jetzt versuchen wir das ein bisschen schneller“, ruft Alba-Jugendtrainerin Tanja Djurdjev aufs Feld. Die drahtige kleine Frau schiebt die Jugendlichen auf dem Tartanboden wie Schachfiguren umher, korrigiert die Abstände. „Raumwahrnehmung ist beim Theater genauso entscheidend wie im Basketball“, sagt sie.

Von der Seitenlinie aus sieht Bettina Grahs zu, die Schauspielerin leitet mit Djurdjev die Arbeitsgruppe „Bekenntnisse auf dem Feld“. Die Idee sei, „ein Basketballspiel als Folie zu nehmen, mit der wir dann eine Performance entwickeln“, erklärt Grahs. Die Partie soll normal beginnen, dann verschwindet der Ball, eine Spielerin deklamiert eine Liste ihrer Ängste, das Drama übernimmt das Spiel.

Damit das alles auch nach Basketball aussieht, haben die Campteilnehmer zwei Wochen lang meist vormittags mit den Alba-Coaches trainiert, nachmittags stand die Arbeit in den Workshops an. „Sie haben jetzt ein bisschen mehr Spielverständnis, zumindest eine Idee vom Spiel“, sagt Tanja Djurdjev. Und Bettina Grahs betont die Gemeinsamkeiten zwischen Theater und Basketball: „Erst wenn man im Zusammenspiel geübt ist, kann man kreativ sein. Erst wenn man die Grundlagen beherrscht, kann man überraschen.“ Um diese Gemeinsamkeiten geht es beim Camp: Körpergefühl und Körperbeherrschung, Kommunikation und Kooperation, Disziplin und Kreativität. Die Jugendlichen scheint diese Kombination zu faszinieren, sie feilen weiter an „5-out motion cut and fill“, obwohl der Nieselregen längst in einen Schauer übergegangen ist.

Auch ein paar Meter weiter, im Steinfoyer des Deutschen Theaters, fliegen Bälle. Wo sonst Besucher in Abendkleid und Anzug unter Kristallleuchtern zur Vorstellung streben, toben jetzt Kinder in Jogginganzügen. Das ganze Haus hat sich in eine Mischung aus Trainingslager und Kreativwerkstatt verwandelt. Durch die Bar des DT wandeln Jugendliche mit verbunden Augen, unter dem Dach, auf dem sogenannten Malerboden, übt eine Gruppe unter Anleitung eines Schauspielers Ausdruck, Artikulation – und Spaß an der Stimme. Im Kreis knallen sich die Kinder Vokale an den Kopf, immer wieder: „a? A! Aaa! aaaaA?! a-a-a-a-A!“

Ein Stockwerk tiefer schlägt das Herz des Camps. In einem großen Saal essen alle Teilnehmer zusammen, jeden Tag kocht eine andere Gruppe unter Anleitung der Alba-Jugendküche, die sonst die Basketballcamps des Klubs verpflegt. Birgit Lengers, die Leiterin des Jungen DT, sitzt mittendrin und fühlt sich sichtlich wohl. Nach drei Herbstcamps habe sie das Konzept „reformieren und neu denken“ wollen, „sonst läuft man Gefahr, das Theater mit der Welt zu verwechseln“. Da ihr Sohn bei Alba spielt, lag der Kontakt zum Verein nahe. Und in Henning Harnisch, Albas Chefquerdenker und Vizepräsident, fand Lengers einen Mitstreiter.

Jetzt steht Harnisch in der Schlange an der Essensausgabe zwischen Kindern, Trainern, Autoren und Schauspielern, die Grenze zwischen Sportlern und Künstlern scheint aufgehoben. Unterschiede lassen sich trotz der Harmonie aber doch feststellen. „Die Basketballtrainer sind viel strenger und zielstrebiger – und nicht so lustig“, sagt die 13-jährige Lydia. Birgit Lengers berichtet, die Coaches hätten auch bei der Präsentation der Workshops sehr kritisch nachgefragt, wenn die Schauspieler ihr Vorhaben allzu blumig und unkonkret vorgestellt hätten. „Da prallen schon Welten aufeinander“, sagt Birgit Lengers. „Darum geht’s ja auch“, sagt Henning Harnisch und grinst.

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