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Sport: Bagdad antwortet nicht

Bei den Gay Games startet ein irakischer Flüchtling

Seine Mannschaft ist aus Melbourne. Er selbst lebt in London. Und bei der Eröffnung der sechsten Gay Games in Sydney ist Yasir Samir mit der irakischen Flagge ins Stadion marschiert. Lachend, den Zuschauern zuwinkend. „Hier kann ich zum ersten Mal zusammenbringen, was für mich wichtig ist“, sagt er und strahlt. „Ich liebe den Irak und ich liebe Männer.“

Strafen für Schwule

Yasir Samir ist der erste irakische Sportler, der bei den Gay Games, dem schwullesbischen Olympia, dabei ist. Die schwarzen Haare hält er kurz, sein Kinnbärtchen ist akkurat getrimmt, und wenn er sein T-Shirt wechselt, machen die Umstehenden Gesprächspausen. Dass das Regime von Saddam Hussein Homosexualität unter Strafe stellt, ändert nichts an Samirs Vaterlandsliebe. „Der Irak ist ein wunderschönes Land“, sagt er. „Man kann stolz darauf sein, aber die Regierung hassen.“

Eine Sirene heult. Der Turnierleiter gibt das Signal zum Spielbeginn. Yasir Samir steht mit seinen Teamkollegen aus Melbourne auf einem der Felder für das Touch-Rugby-Turnier, eine milde Version der eher harten Sportart. Wer seinen Gegner stoppen will, klopft ihm höflich auf die Schulter und schreit: „Touch!“ Schon muss der gegnerische Spieler seinen Lauf mit dem Ball unterm Arm beenden. Touch-Rugby ist eine von insgesamt 31 Sportarten, in denen die 12000 Sportler der Gay Games gegeneinander antreten. Jeder kann sich anmelden, solange Platz in den Teilnehmerlisten ist. Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen gelten die Gay Games eher als ein Breitensportfest. Gleichwohl sind die Leistungen in den Finalrunden hochklassig.

Yasir Samir wäre kein überzeugter Iraker und Sportler, hätte er nicht versucht, über das Internet eine irakische Nationalmannschaft zusammenzustellen. Ohne Ergebnis. Auf seine Anzeige gab es keine Antwort aus Bagdad. Nur die Männer aus Melbourne reagierten und nahmen ihn auf. Yasir selbst wundert das Schweigen aus Bagdad nicht. „Im Irak wird Homosexualität moralisch nicht akzeptiert.“

Die Sirene heult. Halbzeit nach 20 Minuten. Yasir hat sich bei einem Sturz das Knie aufgeschlagen. Ein Spieler seines Teams überreicht ihm eine Anstecknadel. Yasir liest und lächelt: „Stop bombing Irak“ steht darauf. Er glaubt, dass Schwule und Lesben politisch eher links stehen und gegen eine Militäraktion im Irak sind. „Alle Menschen, die irgendwie kriminalisiert werden, lehnen Gewaltaktionen ab.“

Wieder heult die Sirene. Die zweite Halbzeit beginnt. Yasir Samir humpelt kichernd zurück aufs Spielfeld. Er ist nicht der einzige Sportler aus einem Land, in dem Homosexualität unter Strafe steht. Die Veranstalter der Gay Games zählen Teilnehmer aus 22 solcher Nationen, etwa Saudi-Arabien, Kuba oder Nigeria.

Mit Stöckelschuhen im Stadion

In den meisten Fällen leben die Sportler nicht in ihren Heimatländern, sondern im Westen. Sie nutzen die Regeln der Gay Games, die besagen, dass es kaum Regeln gibt – viele Sportler suchen sich die Fahne aus, hinter der sie ins Stadion marschieren. Wie der Teilnehmer aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der im Marylin- Monroe-Look über den Rasen stöckelt.

Auf dem Rugby-Feld ist Schluss. Yasirs Mannschaft hat gewonnen, ist Favorit auf den Turnier-Sieg bei den Gay Games. Alle Spieler machen sich auf den Weg in eine nahe gelegene Bar. Reden, trinken, lachen. „Seit Beginn der Spiele habe ich nicht aufgehört zu lächeln.“ Warum? Er blickt umher: „So viele wunderschöne Männer. “

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