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Sport: Baseball: Bälle schlagen statt büffeln

Für den Sohn war es der wichtigste Moment seines Lebens - und sein Vater war nicht wach zu kriegen, morgens um zwei an jenem 4. Oktober.

Für den Sohn war es der wichtigste Moment seines Lebens - und sein Vater war nicht wach zu kriegen, morgens um zwei an jenem 4. Oktober. Michael Franke stand auf einem Baseballplatz in Milwaukee, sein Vater lag in Strausberg im Bett. "Ich habe es 30 Mal klingeln lassen", erinnert sich der 19-Jährige. Dann endlich ging Andreas Franke, Präsident des Baseball-Bundesligisten Strausberg Sun Warriors, ans Telefon und schloss mitten in der Nacht schlaftrunken das Faxgerät an. Sein Sohn wollte ihm seinen Vertrag schicken, sofort. Den Vertrag als Profi bei den Milwaukee Brewers in der Major League Baseball (MLB). "Mein Vater hat gezögert. Ich konnte es nicht fassen, dass die mir nach drei Tagen Probetraining einen Vertrag anbieten. Ich habe schnell unterschrieben", sagt der Juniorennationalspieler.

Michael Franke wird wohl zunächst bei den Ogden Raptors in Utah zum Einsatz kommen, dem unterklassigen Ableger der Brewers. "Das sind aber auch alles Profis", sagt er schnell. Im Nebenjob ist Franke nämlich Nachhilfelehrer von Journalisten. Er brieft sie routiniert und geduldig, weil er weiß, dass in deutschen Redaktionen keine Baseball-Experten sitzen. Also erklärt Franke den Aufbau der MLB, nennt Zahlen ("4500 Profis gibt es in Nordamerika, weltweit spielen 80 Millionen Menschen Baseball") und korrigiert die Behauptung, er sei der erste deutsche Profi in Amerika, "1957 gab es schon mal zwei Brüder, in Baltimore."

In Südafrika will er sich zwei Monate vorbereiten, um am 1. April fit zu sein für sein erstes US-Trainingslager. Die Schule bricht er ab. Die paar Monate bis zum Abitur durchzuhalten und zur nächsten Saison zu wechseln, kommt nicht in Frage. "Da bin ich vielleicht schon zu alt. Vielleicht gibt es dann 19-Jährige, die so gut sind wie ich", meint er. Dann wäre er 20 - undenkbar. Den Kontakt zu den Brewers hat sein Strausberger Coach Georg Bull hergestellt. "Er ist seit sechs Jahren mein Ziehvater. Er wollte jemanden züchten, der es weit bringt", erzählt Franke grinsend.

Bull war es auch, der 1994 in Strausberg ein Baseballzentrum hochzog. Michael Franke war zwölf und wusste nicht, was das ist - Baseball. "Im Osten gab es das nicht." Doch 50 Kinder kamen zum Probetraining, "wir waren verzaubert, wenn wir den Ball richtig getroffen haben. Das ist Wahnsinn, wenn er richtig wegfliegt." In Amerika lernen die Kinder die wichtigsten Regeln im Fernsehen, in Strausberg führte Bull Theoriestunden ein. In der Nationalmannschaft schrieb Franke im Baseball-Entwicklungsland Deutschland sogar Tests, in denen Regeln abgefragt wurden. Viele Tricks eignete er sich an, als er für die Schiedsrichter-B-Lizenz "das Regelbuch auswendig gelernt" hat. Franke hat den Trainer-Schein und coacht den Nachwuchs. In Strausberg sind es "die Hausmeister-Connection und der Dorfjugend-Fanklub", die bei den Spielern anfeuern. In Utah werden Familien mit Picknickkorb anrücken, "da kaufen sich die Zuschauer Hot Dogs und dann gibt es neben dem Spielfeld High Life", erzählt Franke begeistert. "In der Major League kommen täglich 30 000 Zuschauer". Es kann noch ein Weilchen dauern, bis er es bis dorthin geschafft hat. Vielleicht gibt es in ein paar Jahren noch mindestens einen weiteren deutschen Baseballspieler in den USA: Auf den talentierten 15-jährigen Rene haben die Amerikaner auch schon ein Auge geworfen. Sein Nachname: Franke. An nächtliche Ruhestörungen ist der Vater ja gewöhnt.

Helen Ruwald

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