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Basketball-EM: Die Kraft der Erfahrung

Die deutschen Basketballer starten mit dem ältesten EM-Team – und besiegen das zweitälteste.

Als sich die deutsche Basketball-Nationalmannschaft Anfang August zum ersten Mal in diesem Jahr im Hotel „Lindner“ auf Mallorca traf, wunderte sich Ademola Okulaja. „Früher haben wir über Musik, Klamotten oder Frauen geredet“, sagt der deutsche Nationalspieler. Diesmal zog er sein Handy hervor und zeigte seinen Teamkollegen ein Foto seines jüngst geborenen ersten Sohnes. „Die Gespräche sind anders geworden“, hat Okulaja festgestellt, „wir sind älter, aber auch weiser geworden.“

So gesehen stellt Deutschland bei der Basketball-Europameisterschaft in Spanien die mit Abstand weiseste Mannschaft. Im Durchschnitt ist das deutsche Team 28,8 Jahre alt – mit dem gestrigen Gegner Tschechien wurde die mit 27,9 Jahren zweitälteste Mannschaft besiegt. Serbien ist mit 21,7 Jahren das jüngste Team.

Das Alter der deutschen Mannschaft ist zuletzt weiter gestiegen, als Bundestrainer Dirk Bauermann für Sven Schultze, 29, den Oldie Stephen Arigbabu, 35, nachnominierte. Vier von zwölf deutschen Spielern waren bereits bei der Europameisterschaft 1999 dabei. Jan Jagla wird immer noch zur Gruppe der jungen Spieler gezählt, obwohl er seinen 26. Geburtstag längst gefeiert hat. Und Johannes Herber von Alba Berlin darf sich Nesthäkchen nennen – mit 24 Jahren. Was bedeutet das für die Europameisterschaft, in die die Deutschen so mühsam gestartet sind?

„Das Alter macht keinen Unterschied“, sagt Bogdan Tanjevic, Trainer des heutigen zweiten Vorrundengegners Türkei, „es kommt darauf an, was das Ziel ist.“ Sein Team mit dem Durchschnittsalter von 25,1 Jahren ist auf die WM 2010 ausgerichtet, wenn die Türkei Gastgeber sein wird. Die aktuelle deutsche Generation um Dirk Nowitzki hingegen kennt nur noch ein Ziel: die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2008. Bundestrainer Dirk Bauermann hofft, dass deshalb das Alter auch Motivation ist: „Die EM in Spanien ist für viele die letzte Chance, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.“ Patrick Femerling, 32, und Ademola Okulaja, 32, dürften ihre Karriere im Nationalteam nach 2008 beenden, Dirk Nowitzki will eine Pause einlegen.

Nowitzkis Mentor und privater Trainer Holger Geschwindner glaubt, dass die Erfahrung der deutschen Mannschaft vorteilhaft sein kann. „Junge Spieler machen oft kleine Fehler“, sagt er, „das wollen die Trainer minimieren und nominieren lieber ältere Spieler.“ Mit 29 Jahren sei man erst im besten Basketball-Alter, findet der ehemalige deutsche Basketballnationalspieler. Dem deutschen Team aber fehlten im Gegensatz zu den übrigen EM-Teams jene zwei bis drei Spieler, die bei diesem Turnier für die Zukunft aufgebaut werden. „Die Frage ist, wo die herkommen sollen“, sagt Geschwindner. Das deutsche Basketball hat seit längerem ein Nachwuchsproblem.

Für Bauermann hat das gestiegene Alter einen positiven Nebeneffekt. „Ältere Spieler haben Kinder und Familie, sie haben eine andere Disziplin als junge Spieler.“ Das hat auch Okulaja festgestellt. „Früher ist man im Trainingslager erst um 2 Uhr nachts ins Bett gegangen“, sagt er, „heute verabschiedet man sich schon mal um 23 Uhr.“ Auch bei der Ernährung verhielten sich ältere Spieler vernünftiger.

Womöglich aber ist das deutsche Team seinen jüngeren Gegnern auf dem Feld konditionell unterlegen? Eine Gefahr, die durchaus bestehe, glaubt Bauermann: „Wir dürfen nicht wie die jungen Hasen rauf und runter laufen und unsere Energie verschwenden, wir müssen disziplinierter, ruhiger und gelassener spielen.“ Diesen Fehler hat sein Team im letzten Vorbereitungsspiel gegen Spanien (56:72) begangen. Gestern immerhin reichte die Kraft für die Verlängerung gegen Tschechien, in der das deutsche Team weniger Schwächen zeigte als der Gegner.

Am besten kennt der deutsche Teamarzt Thomas Neundorfer den körperlichen Zustand der Mannschaft. Plagen die alternden Recken inzwischen mehr Wehwehchen und Verschleißerscheinungen? „Im letzten Jahr bei der WM waren alle ein Jahr jünger“, sagt Neundorfer, „aber da hatten sie mehr Probleme mit den Knochen.“ Das Alter ist, das hat auch das erste Spiel gezeigt, ein äußerst unberechenbarer Faktor. Benedikt Voigt

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