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Sport: Basketball-EM: Unerfahrene Jäger

Andere Leute tragen ein Kruzifix um ihren Hals. Es soll ihnen Glück bringen, manchmal ist so ein Kettchen mit einem Kreuz auch Ausdruck ihres Glaubens.

Andere Leute tragen ein Kruzifix um ihren Hals. Es soll ihnen Glück bringen, manchmal ist so ein Kettchen mit einem Kreuz auch Ausdruck ihres Glaubens. Vor Henrik Dettmanns Brust baumelt ein kleines, vergoldetes Basketballfeld. Es ist ein Miniatur-Exemplar jener Tafel, auf die Basketball-Trainer während des Spiels immer so leidenschaftlich ihre Taktik schmieren. Der Bundestrainer hat es sich um den Hals gehängt. Wahrscheinlich soll es Glück bringen, irgendwie aber ist es auch Ausdruck seines Glaubens. Grafik: Der Spielplan der Basketball-EM Henrik Dettmann lebt Basketball. Deswegen kann er seine Enttäuschung darüber nur schwer verbergen, dass die Vorbereitung auf die heute in der Türkei startende Basketball-Europameisterschaft für sein Team so unglücklich verlief. "Wir hatten viel Pech mit Verletzungen und mussten immer wieder neu anfangen", ärgert sich Dettmann. Der Bundestrainer bietet heute in Antalya im ersten Spiel gegen Estland (15.45 Uhr, live im DSF) eine Mannschaft auf, die in dieser Besetzung noch nie zusammen gespielt hat. Beim letzten Test gegen Lettland (86:84) fehlten Ademola Okulaja wegen einer Kieferoperation und Stipo Papic wegen einer Daumenverletzung. Zwar ist die deutsche Auswahl um die beiden NBA-Spieler von den Dallas Mavericks, Dirk Nowitzki und Shawn Bradley, sehr talentiert, aber auch sehr unerfahren.

Der 23-jährige Nowitzki muss ein Team führen, das im Durchschnitt 25,2 Jahre zählt. Der älteste Spieler ist Shawn Bradley mit 29 Jahren, der vor einer Woche zum ersten Mal Bekanntschaft mit der deutschen Nationalmannschaft und dem europäischen Basketball schloss. Der 2,29 m große Centerspieler wird deshalb zunächst von der Bank kommen. Aufbauspieler Mithat Demirel und Stefano Garris, die beide in der ersten Fünf stehen, gelten zwar als die positiven Überraschungen der Vorbereitung. Doch die beiden Spieler des Deutschen Meisters Alba Berlin besitzen nur wenig internationale Erfahrung. Der Mannschaft fehlen Routiniers wie Jörg Lütcke und Henrik Rödl, die wegen Verletzungen absagen mussten. Das ist vielleicht auch der Grund, warum der Trainer nach dem letzten Testspiel sagte: "Realistisch gesehen gewinnen wir nur ein Spiel".

Und zwar gegen Estland. Das heutige Spiel muss gewonnen werden, wenn die Mannschaft ins Viertelfinale kommen will. Gegen Kroatien und Jugoslawien, das von Svetislav Pesic trainiert wird, sind die Deutschen nur Außenseiter. Doch bereits ein Sieg könnte zur Qualifikation für die Zwischenrunde am Montag reichen. Der Erste jeder Gruppe qualifiziert sich sofort für das Viertelfinale. "Nach dem ersten Spiel sind wir die Jäger", sagt Dettmann.

Der Sportdirektor des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) beurteilt die Situation optimistischer. Wolfgang Brenscheidt sagt: "Ich habe ein gutes Gefühl, wir haben phasenweise absolutes Spitzenniveau erreicht." Ziel der Mannschaft ist ein Platz unter den ersten Fünf, der die Qualifikation für die WM 2002 in Indianapolis bedeutet.

Bundestrainer Dettmann hat einen schweren Stand. Schafft das Team die WM-Qualifikation, so heimst der DBB das Lob ein. Immerhin hat sich der Verband gemeinsam mit Nowitzki-Intimus Holger Geschwindner für die Einbürgerung Bradleys stark gemacht. Geschwindner hatte in der Zeitschrift "Basketball" sogar gedroht, Nowitzki nicht mitfahren zu lassen, wenn Bradley nicht spielen darf. "Das sind Zitate, die so nicht gefallen sind", erklärt Brenscheidt. Verfehlt das DBB-Team die WM-Qualifikation, so steht der Trainer ohnehin schlecht da.

Dettmanns Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Im vorigen Jahr gab es schon Probleme, als er in einem Interview gesagt hatte: "Deutschland ist Weltmeister im Verschwenden von Ressourcen." Der Fall Bradley hat das Verhältnis zwischen dem Bundestrainer und dem Verband nicht verbessert. Brenscheidt sagt zwar: "Es gibt keinen Streit." Und die Entscheidung, den NBA-Spieler zu nominieren und Vladimir Bogojevic aus dem Team zu nehmen (wir berichteten gestern), fällte Dettmann letztlich selber. Doch der Finne sagt auch: "Das war eine natürliche Entscheidung, so ist das Leben manchmal." Was heißen dürfte: Der Druck war so groß, dass es eigentlich nur diese Entscheidung geben konnte.

Ob es nach der EM mit Dettmann weitergeht, weiß auch der DBB noch nicht. Im Frauenbereich schaffte der Verband den hauptamtlichen Posten als Bundestrainer ab. Bei den Männern könnte das auch passieren. "Es gibt nur zweieinhalb Monate Beschäftigung für einen Bundestrainer", sagt Brenscheidt, "da ist zu überlegen, ob der Bundestrainer nicht auch Vereinstrainer ist." Dettmann bleibt gelassen. "Der Mietvertrag für meine Wohnung in Köln läuft weiter."

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