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Deon Thompson versucht, Dirk Nowitzki aus dem Konzept zu bringen.

© AFP

Basketball-Ereignis: Nowitzki siegt mit Dallas beim Heimspiel in Berlin

Basketballstar Dirk Nowitzki hat bei seinem ersten Auftritt auf deutschem Boden mit den Dallas Mavericks einen knappen Erfolg gegen Alba Berlin gefeiert. Gegen den Bundesligisten gewann der große Favorit vor über 14.000 Zuschauern in Berlin 89:84.

Kurz vor der Halbzeitpause wird der Halbgott für einen Augenblick zum Normalsterblichen. Dirk Nowitzki, 2,14 Meter groß, deutscher Basketball-Nationalheld, dribbelt unbedrängt auf den Korb zu. Fast15.000 Menschen sind an diesem Samstagabend in die Arena am Ostbahnhof gekommen, ja: gepilgert, um den längst in Texas zum Weltstar gewordenen Würzburger zu sehen. Jetzt blicken alle auf Nowitzki, gleich wird er den Ball durch den Ring stopfen, Doch der 34-Jährige bringt das Kunststück fertig, sich ungelenk in den eigenen Gliedmaßen zu verheddern, den Ball neben den Korb zulegen und fast noch einen Kameramann umzunieten. Die Hallenregie leistet sich die an Basketball-Blasphemie grenzende Dreistigkeit, die Szene auf dem Videowürfel auch noch in Zeitlupe zu wiederholen. Aber auch die kleine Peinlichkeit kann nichts an der Grundstimmung des Abends ändern: Die Zuschauerfeiern Nowitzki, verfolgen das Spiel der Mavericks gegen Alba Berlin mit entspanntem Interesse und genießen die Show aus dem Land, das die Show erfundenhat. Es passt zu Nowitzkis kleinem Stolpern, dass Dallas den ersten Vergleich eines NBA-Teams mit einer deutschen Mannschaft am Ende nur knapp 89:84 (45:39)gewinnt.

In den vergangenen Tagen ist Nowitzki nahezu ohne Pause von Termin zu Termin gehetzt und hat mit der ihm eigenen Mischung aus Freundlichkeit und Professionalität den nur leicht variierenden Fragenkatalog beantwortet. Dirk, wie fühlt es sich an, in Berlin zu sein? Wie sind die Chancen mit Dallas in der neuen Saison? Wie war die Hochzeit im Sommer, Dirk? Im Hotel Adlon, auf einem verregneten Freiplatz in Köpenick, beim PR-Termin in einer Schulturnhalle in Neukölln, immer wieder: Dirk? Dirk?? Dirk??? Auch vor dem Sprungball um kurz nach 20 Uhr, nachrund 60 Stunden PR-Marathon, muss Nowitzki noch einmal ein Mikrofon in die Handnehmen. „Ich wollte mich für euer Kommen bedanken“, sagt er ins weite Rund, nachdem der ohrenbetäubende Jubel abgeebbt ist. „Die letzten drei Tage waren für mich unvergesslich.“ Dann darf Dirk Nowitzki, endlich das tun, was er am besten kann: Basketball spielen.

Es dauert allerdings vier ziemlich zerfahrene Minuten, bis er zum ersten Mal den Ball in aussichtsreicher Position in die Hand bekommt. Zwei Dribblings mit dem Rücken zum Korb, eine Finte, ein Schritt zurück, zwei Alba-Verteidiger strecken sich vergeblich, zwei Punkte für Dallas. Kurz darauf wird der Würzburger ausgewechselt, es wird sehr ruhig in der Halle, allein Alba-Trainer Sasa Obradovic brüllt aus vollem Hals. Die meisten Zuschauer sind zum Gucken und Staunen gekommen, nicht zum Anfeuern. Auf den Rängen sieht man ohnehin mehr blaue Mavericks-Trikots als gelbe Alba-Hemden.

Beim Aufwärmprogramm, das selbstverständlich von eineramerikanischen Computerfirma als offizieller Sponsor präsentiert wird, haben die US-Profis das Publikum mit ihren schwerkraftverachtenden Dunkings begeistert. Die ersten Highlights im Spiel gelingen aber Alba: Deon Thompson dunkt zweimal mit Inbrunst, die Berliner gehen gegen den großen Favoriten zwischenzeitlich in Führung. Aber das Spiel wird angesichts des dröhnenden Showprogramms, einerNummernrevue auf Speed, fast zur Nebensache. Ein Moderator fordert die Fans in einem Englisch-Deutsch-Mix penetrant zum Mitmachen auf – „who wants some freestuff, Berrrrrlin?“ –, ein Freiwurf-Spiel folgt auf eine Trampolin-Dunking-Truppe, per Kuss-Kamera werden Zuschauer dazu aufgefordert, sich knutschend auf dem Videowürfel zu zeigen. Die NBA-Legenden Predrag Stojakovic und Detlef Schrempf kommen aus unklaren Gründen mit den Mavericks-Cheerleadern aufs Feld, winken kurz und treten dann wieder ab. Mavericks-Besitzer Mark Cuban, ein exzentrischer Internet-Tycoon, macht bereitwillig Fotos mit den deutschen Fans. Als er einen jungen Zuschauer abklatscht, kann dieser sein Glück kaum fassen: „Mein erster Milliardär, mein erster Milliardär!“

Auf dem Spielfeld geben sich alle Spieler große Mühe: Die Berliner wollen gewinnen, die Texaner wollen sich drei Wochen vor dem Saisonstart nicht verletzen. Kurz vor Schluss wird es doch noch richtig laut: Beim Stand von 82:84 aus Sicht der Berliner geht es in die letzte Minute, das Publikum will jetzt doch den Außenseiter siegen sehen. 11,9 Sekunden vor Schluss darf Nowitzki an die Freiwurflinie treten, eine bizarre Geräuschkulisse erhebt sich. Es gibt Pfiffe der Alba-Fans, Jubel, „MVP“-Rufe. Dirk Nowitzki verzieht keine Miene, trifft zweimal, es sind seine Punkte Nummer sieben und acht, das Spiel ist entschieden. Als die Schlusssirene ertönt, klatscht er seine Mitspieler ab, ein Handtuch um die Schultern gelegt. Er sieht müde aus, und glücklich.

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