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Basketball: Kofferträger mit Perspektive

Es sollte der Sommer der altgedienten Nationalspieler werden, die sich ihren Traum von Olympia erfüllen wollen. Doch bei der Qualifikation in Athen drängen drei Neulinge ins deutsche Basketballteam.

Wer ganz neu in die Basketball-Nationalmannschaft aufgenommen wird, der hat oft schwer zu tragen. Mal steht eine Sporttasche achtlos vor dem Mannschaftsbus und soll verstaut werden, mal müssen die dicken Koffer der Mitspieler vom Flughafenfließband gehievt werden. „Rookie-Stuff“ werden solche Extra-Lasten genannt, die die Debütanten zu stemmen haben. Gleich drei deutsche Basketballnationalspieler teilen sich derzeit in Athen diese Arbeiten, die an die Aufnahmerituale in den angelsächsischen Universitäten erinnern. Philip Zwiener, Tim Ohlbrecht und Konrad Wysocki heißen die drei Neuankömmlinge (Rookies) in der Basketballnationalmannschaft, die in dieser Woche in der griechischen Hauptstadt um das Olympiaticket für Peking kämpft. „Zum Glück müssen wir den Alten nicht auch noch etwas vorsingen“, sagt Konrad Wysocki in Athen. Der 26-jährige, in Polen geborene Flügelspieler, der in der kommenden Saison aus Ulm zu den Skyliners Frankfurt wechselt, hat erst vor knapp sieben Wochen sein Länderspieldebüt für Deutschland bestritten. Ende Juni sammelte er gemeinsam mit dem Bamberger Ohlbrecht und dem Alba-Spieler Zwiener gegen Polen erste Nationalmannschaftsminuten. Jetzt gelten Zwiener und Wysocki schon als Kandidaten für die Anfangsformation. „Es geht ziemlich steil hoch derzeit. Wer weiß, wo ich noch ankomme“, sagt Wysocki in Athen.

Die erste Zeit im Nationalteam fiel Wysocki nicht leicht. Beim Trainingslager auf Mallorca war er fast gefangen in dieser Traumwelt, die sich ihm da so unverhofft eröffnet hat. „Wir sind hier nicht in Ulm“, rief ihm ziemlich lautstark der Nationalcoach Dirk Bauermann zu, als ihm in den ersten Trainingseinheiten unter den Körben nicht all zuviel gelang. Aber nach dem Weckruf Bauermanns ging Wysocki vieles leichter von der Hand.

Es galt schon als eine mittlere Überraschung, dass in Bauermanns 12er-Kader für das olympische Qualifikationsturnier drei Neulinge Einlass fanden. Sollte doch dieser griechisch-chinesische Sommer eigentlich den alt gedienten Nationalspielern gehören, die sich den Traum von den Olympischen Spielen verwirklichen wollten. Nach dem Ausfall von Mithat Demirel, Johannes Herber und Ademola Okulaja ist nun einiges anders gekommen, als erwartet.

Zwiener, Ohlbrecht und Wysocki sind dennoch keine Unbekannten. Das Trio hat sämtliche Jugend- und Juniorennationalmannschaften durchlaufen. „Ich beobachte alle drei schon lange. Sie gelten für mich als gefestigt. Auch, wenn wir von dem Trio natürlich noch keine Wunderdinge erwarten dürfen“, sagt Bauermann. An Zwiener schätzt Bauermann „seine überaus hohe Spielintelligenz, sein schnörkelloses Spiel und seine äußerst geringe Fehlerquote“. Der Flügelspieler, der in der kommenden Woche 23 Jahre alt wird, bleibt wie Wysocki und der erst 19-jährige Tim Ohlbrecht trotz des Lobes betont bescheiden. „Für mich als Neuling gibt es doch nichts besseres, als viel zu lernen“, sagt er. Beim ersten Spiel gegen die Kapverdischen Inseln schaffte er es gleich in Startformation. Zwiener blieb sogar am längsten von allen Profis auf dem Feld (27:02 Minuten) und steuerte nach Nowitzki die meisten Punkte (11) zum 104:68 Auftaktsieg der Deutschen bei, die am Mittwoch im zweiten Vorrundenspiel auf Neuseeland trafen (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet).

Wysocki wie Zwiener schwärmen von der herzlichen wie überaus „erdigen“ Aufnahme im Nationalteam. Niemand habe sie von oben herab angeschaut. Nur ein paar Koffer und Sporttaschen haben die Alten für die drei Neuen hingestellt.

Torsten Haselbauer

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