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Sport: Bayer Leverkusen hatte sich die Saison etwas anders vorgestellt

Im Presseraum der Leverkusener Ballarena liegen für die Journalisten neben Streusselkuchen, Sandwiches und Frikadellen auch weisse Papierservietten. Zumindest sieht es auf den ersten Blick aus, als seien sie weiss.

Im Presseraum der Leverkusener Ballarena liegen für die Journalisten neben Streusselkuchen, Sandwiches und Frikadellen auch weisse Papierservietten. Zumindest sieht es auf den ersten Blick aus, als seien sie weiss. Dreht man die Servietten allerdings herum, findet man auf der Rückseite das Logo und den Schriftzug der Uefa-Champions-League. So wie ein sparsammer Mensch nach einem Umzug erst einmal das Briefpapier mit der alten Adresse weiter verwendet, bevor er neues drucken lässt, nutzt offensichtlich auch Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen diverse Restbestände, die eigentlich nicht mehr zeitgemäss sind.

Champions League - das war einmal. Uefa-Pokal ebenso, und auch im DFB-Pokal sind die Leverkusener nicht mehr vertreten. Die Neuordnung der europäischen Fussballlandschaft bringt es mit sich, dass Bayer geschafft hat, was noch keiner Mannschaft zuvor gelungen ist: in einer Saison aus drei Wettbewerben auszuscheiden. Vor allem deshalb fällt die Hinrunden-Bilanz, von Christoph Daum keinesfalls euphorisch aus: "Wir hätten uns mehr erhofft."

Immerhin, in der nationalen Meisterschaft, hat sich Bayer nach dem mühsamen 2:1 gegen Aufsteiger Unterhaching durch zwei Tore des eingewechselten Thomas Bradric nach dem Führungstreffer von Matthias Zimmermann die Vizeherbstmeisterschaft gesichert. Am Ende der Hinrunde steht die Mannschaft also wieder da, wo sie auch zum Abschluss der letzten Saison stand - auf Platz zwei hinter den Bayern. Unter den gegebenen Umständen sind die Leverkusener damit zufrieden; wenn es ihnen jedoch nicht gelingt, bis Ende Mai einen Platz gut zu machen, könnte der Jammer groß sein.

Zweimal hat Trainer Daum Leverkusen seit 1996 auf Platz zwei geführt. Was ihm bisher als erfolgreiche Arbeit ausgelegt wurde, würde den selbst formulierten Ansprüchen beim dritten Mal vermutlich nicht mehr genügen. Allerdings haben die ersten 17 Spiele dieser Saison Bayer recht deutlich vor Augen geführt, dass das Unternehmen Meisterschaft nicht so einfach zu verwirklichen ist, wie sie sich das etwa vorgestellt haben. Beim Kampf um den Titel, so hat es Manager Reiner Calmund gesagt, werde sein Team versuchen, "ein ernsthaftes Wort mitzusprechen". Nach unbändigen Selbstvertrauen hört sich das nicht gerade an.

Daum glaubt, "mit verhaltenem Optimismus in die Zukunft schauen" zu können. Es ist zu viel passiert, als dass er noch eine dicke Lippe riskieren könnte. Seitdem sein Geschäfts- und Privatleben zunächst von den Boulevard-Zeitungen an die Öffentlichkeit gebracht wurde, erledigt Daum seine Pflichten der Presse gegenüber mit ungewohnt geringem Enthusiasmus. Es scheint, als fühle er sich von den Medien verfolgt. Einem Journalisten, der öffentlich über sein Immobilienprojekt auf Mallorca spekuliert hatte, überreichte Daum kurz vor Anpfiff eines Bundesligaspiels im Presseraum Unterlagen zur intensiveren Recherche. Und seit drei Wochen sitzt bei Pressekonferenzen stets eine junge, rothaarige Frau auf dem Tisch in der hinteren Ecke, auf dem vor dem Spiel Kuchen, Schnittchen und Frikadellen für Journalisten liegen. Es ist Angelika Camm, Daums Freundin, ihre Anwesenheit signalisiert natürlich auch, dass in der Beziehung, die angeblich kriselt, alles in Ordnung ist.

Dafür hat die Boulevardzeitung "Express" inzwischen Daums "gestörte Beziehung zu seinem Team" thematisiert. Er habe den Kontakt zur eigenen Mannschaft verloren, schrieb das Blatt. In Frankfurt, Mitte voriger Woche, eilte Manager Reiner Calmund in der Halbzeitpause in die Kabine und griff "in die asoziale Kiste", um die Mannschaft wachzurütteln. Solche Methoden hat er zuletzt in der Vor-Daum-Ära angewandt, als die Mannschaft gegen den Abstieg kämpfte und er mit flammenden Reden an die Ehre der Spieler appellierte. Mit dem Trainer war Calmunds Pausenauftritt nicht abgesprochen. Es sei ja kein Eingriff in sportliche und taktische Dinge gewesen, sagte Calmund.

Der Manager verlangt "totale Identifikation, totale Leidenschaft, Feuer, Power", alles das, wofür eigentlich auch Daum steht. Doch Calmunds Intervention provoziert natürlich die Frage, warum dem Manager gelungen ist, was der Trainer nicht geschafft hat. Calmund glaubt nicht, dass er Daums Autorität untergraben hat. Trotzdem will er "in den nächsten Monaten nicht mehr eingreifen". Das will wahrscheinlich auch Daum nicht.

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