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Alles, außer gewöhnlich. Kai Havertz wird von vielen Spitzenklubs umworben. Da stören auch Leverkusens Ablöseforderungen von 130 Millionen Euro nicht.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Bayer Leverkusen in der Champions League: Kai Havertz soll gegen Juventus seine Hemmung ablegen

Kai Havertz von Bayer Leverkusen gilt als nächster Fußballstar. Doch zuletzt war ihm der Druck anzumerken. Da kommt das Spiel gegen Juventus richtig.

Am vergangenen Samstag schien es so, als sei die alte Leichtigkeit zurückgekehrt. Solch ein Urteil mutet bei einem 20 Jahre alten Fußballspieler zwar etwas kurios an – und doch trifft es auf Kai Havertz zu, das große Talent von Bayer Leverkusen. Beim 2:1-Erfolg gegen den FC Schalke 04 in der Bundesliga war diese besondere Ballfertigkeit, diese überdurchschnittliche Spielauffassung und auch diese außergewöhnliche Souveränität des offensiven Mittelfeldspielers in einigen Phasen wieder da.

Havertz vereint all diese fußballerischen Attribute, die kaum erlernbar sind – und die einen guten von einem sehr guten Fußballspieler wesentlich unterscheiden. An normalen Tagen führt er sie vor, als habe er nie etwas anderes getan. Nicht zuletzt deshalb wird der gebürtige Aachener als eines der größten europäischen Talente gehandelt. Doch diese Havertz’sche Normalität war in den vergangenen Wochen einer seltsamen bleiernen Schwere gewichen, die ihn sichtlich hemmte und ihn kaum mehr an seine alte Leistungsfähigkeit heranführte.

Kai Havertz wird als „einer der besten Europas“ gelobt

Der Rummel um den Nationalspieler war und ist groß, die Diskussionen drehten sich zuletzt nur noch darum, zu welchem europäischen Topklub Havertz trotz Vertrages in Leverkusen bis 2022 und dank einer Ausstiegsklausel im kommenden Sommer vorzeitig wechseln könnte. Vom FC Barcelona über Manchester City, dem FC Bayern, Juventus Turin und einigen mehr reicht die Liste der Bewerber. Eine Entscheidung ist wohl noch nicht gefallen, ein potenzieller Käufer müsste aber rund 130 Millionen Euro für Havertz an Bayer überweisen.

Havertz blockt all die Wechselgerüchte ab. „Ehrlich gesagt interessiert mich das im Moment zu null Prozent. Weil einfach zu viele wichtige Spiele anstehen“, sagt er. Eines ist das entscheidende Heimspiel in der Champions League am Mittwoch gegen Juventus Turin (21 Uhr/Dazn). Dann kann auch Havertz dazu beitragen, mit Leverkusen nach einer lange enttäuschenden Gruppenphase vielleicht doch noch das Achtelfinale zu erreichen. Dafür benötigt die Werkself einen Sieg gegen den Gruppenersten. Gleichzeitig darf Atlético Madrid gegen Lokomotive Moskau nicht gewinnen.

Juventus hat auf jeden Fall großen Respekt vor Havertz. Trainer Maurizio Sarri bezeichnet ihn als „kompletten Spieler“, der „sicher einer der Besten Europas werden wird“. Für all die Lobreden hat Havertz mit seinen außergewöhnlichen Leistungen in der Vorsaison, als er in 34 Bundesligapartien 17 Tore erzielte und vier weitere Treffer vorbereitete, die Grundlage geliefert.

Selbst Sport-Geschäftsführer Rudi Völler, der seit vielen Jahren dafür bekannt ist, möglichst viel Druck der Öffentlichkeit mithilfe von Gegenreden von seinen Spielern zu nehmen, kommt im Fall Havertz nicht um dessen hervorstechende Rolle herum. „Es gibt sicherlich nur wenige Vereine, die infrage kommen. Deshalb will ich es mal so sagen: Ich freue mich immer, wenn ich einen Künstler wie Kai Havertz spielen sehe. Am liebsten bei uns. Wenn das eines Tages nicht mehr der Fall sein sollte, gibt es ja noch Sky und Dazn. Dort kann man alle europäischen Top-Ligen verfolgen“, sagt Völler.

Diese große Erwartungshaltung ging allerdings nicht spurlos an Havertz vorbei. „Natürlich wird man jetzt in einem anderen Verhältnis gesehen. Klar ist, dass mittlerweile viel Druck auf einem ist, und dass die Leute etwas von einem erwarten. Man muss einfach jedes Spiel liefern“, sagte Havertz kürzlich.

Sportliche Delle von Havertz nicht verwunderlich

In der laufenden Spielzeit fällt ihm das Fußballspielen tatsächlich nicht so leicht wie noch in der Vorsaison. Er suchte nach seiner Form und fand sie lange nicht. Zudem erlitt er zu allem Überfluss die erste Muskelverletzung seiner Profikarriere, die ihn nicht nur zwei Spiele bei den Leverkusenern aussetzen ließ, sondern die ihn auch um die Teilnahme an den Länderspielen im November brachte. „Eine Verletzung ist nie schön“, sagt Havertz. „Aber vielleicht hat sie mir schon ein bisschen geholfen, einen freien Kopf zu bekommen.“

So bemerkenswert bodenständig Havertz seinen Aufstieg durchlief, so wenig verwunderlich ist seine sportliche Delle in dieser Saison. Auch Havertz durchläuft wie viele junge Menschen normale physiologische und psychologische Entwicklungsprozesse. „Dass es auch mal eine Phase gibt, in der es nicht so klappt, gehört zu einer Karriere und Entwicklung dazu. Das ist eine gute Schulung. Kai wird das noch stärker machen“, sagt Bayer-Sportchef Simon Rolfes.

Und kurz vor dem Spiel gegen Juventus scheint sich Havertz ja wieder seiner überragenden Form zu nähern.

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