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Hannover 96 - FC Bayern Muenchen

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Bayern in Not: Jürgen Klinsmann: Der Tag, an dem das Lächeln verschwand

Steinzeit statt Moderne: Durch den schwachen Saisonstart gerät Bayerns Trainer Jürgen Klinsmann langsam unter Druck.

Eine halbe Stunde war vergangen, als Jürgen Klinsmann zum ersten Kommentar schritt. Das Gesicht wie versteinert, die Miene düster, wartete er auf das Rotlicht der Kamera. Das Interview begann, und sofort versuchte er, dieses gefrorene Lächeln aufzusetzen, mit dem er eine Woche zuvor noch die herbe 2:5-Heimniederlage gegen Werder Bremen weggelächelt hatte. Aber es blieb bei dem Versuch. Das Lächeln kehrte nicht zurück. Zu deprimierend war dieses 0:1 (0:1) des FC Bayern München bei Hannover 96 durch das wunderschöne Freistoßtor des Ungarn Szabolcs Huszti. „Es war eine sehr ärgerliche Niederlage“, sagte der Bayern-Coach nach dem Sturz auf den neunten Tabellenplatz nüchtern. „Um das Spiel umzudrehen, hat uns vieles gefehlt: Kreativität, Spielwitz und das Spiel ohne Ball.“

Die Fakten des Spiels waren auch zu niederschmetternd. Die Statistik verzeichnete lediglich sechs Bayern-Schüsse in Richtung des gegnerischen Tors, von denen Hannovers Torwart Robert Enke nicht einen Ball parieren musste. Von der konstruktiven Offensive, dem blitzschnellen vertikalen Angriffsspiel, wie es Klinsmann stets als modernen Fußball propagiert, war nichts zu sehen. Im Gegenteil: Mit den vielen langen Flanken hatte die Abwehr der Niedersachsen, die den ersten Heimsieg seit 1988 gegen den Rekordmeister feierten, keinerlei Probleme. Die Bayern spielten einen unansehnlichen Fußball, wie aus der Steinzeit. Die Aussage Klinsmanns, sein Team sei nach dem Rückstand „aus dem Rhythmus gekommen“, wirkte jedenfalls viel zu schlicht.

Wie problematisch die Lage wirklich ist, verdeutlichte der Auftritt des Uli Hoeneß. Der Bayern-Manager, der wie seine Kollegen aus dem Vorstand nach der Heimniederlage keinen Kommentar abgegeben hatte, wirkte fassungslos. „Normalerweise schießen wir hier ein Tor und dann ein zweites und fahren wieder nach Hause“, sagte Hoeneß, dessen gerötetes Gesicht darauf schließen ließ, dass ihm der Kamm langsam schwillt. Auf die Frage, welche Auswirkungen diese Niederlage nun habe, blaffte er den Fragesteller an („Was soll das denn? Ich habe schon intelligentere Fragen von Ihnen gehört.“). Die Frage, ob das Gegentor haltbar war, beantwortete Hoeneß so: „Da muss ein Torwart spekulieren. Das war schwierig.“ Er sagte nicht: Dieser Ball war unhaltbar.

Unabhängig von der mithin weiter schwelenden Torwartdebatte um Michael Rensing: Diese Niederlage wird besonders die grundsätzliche Debatte um die Rotation anheizen. Angesichts der auf vielen Positionen veränderten Aufstellung erschien diese unverhoffte Niederlage am Ende wie eine verlorene Pokerpartie. Klinsmann verteidigte seine Formation mit den Erfordernissen der langen englischen Wochen, die Dienstag mit dem Champions-League-Spiel gegen Olympique Lyon ihre Fortsetzung finden. Auch die Spieler, die gegen Hannover auf dem Platz gestanden hätten, hätten die „Klasse“, um zu siegen.

Hoeneß stimmte zu: „Ich glaube, das hat nichts mit der Rotation zu tun, sondern damit, dass wir das Spiel total nachlässig angegangen sind.“ Das ist freilich eine Kritik, die sehr tief zielt: Schließlich ist allein Klinsmann für die Einstellung der Profis auf dem Platz verantwortlich, und die ließ zu wünschen übrig.

Bedenklich war die ganze Körpersprache: In den gut 65 Minuten nach dem Gegentor gab es kaum einen Bayernprofi, der die nötige Entschlossenheit vermittelte, um den Umschwung einzuleiten. Franck Ribéry immerhin zeigte hinterher seine Wut darüber, dass sein Team nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe. „Man muss Hunger auf Erfolg haben“, erklärte der Franzose – er habe das Gefühl, einige seiner Mitspieler kämen nur, um Fußball zu spielen. Und das könnte auch in Zukunft womöglich zu wenig sein, um die fünf Punkte auf den Tabellenführer HSV aufzuholen.

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