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Einer fehlt. Ohne die Champions-League-Trophäe wirken Meisterschale und DFB-Pokal etwas verloren auf dem Rathausbalkon.

© dpa

Bayern München: Wir! Feiern! Trotzdem!

Die Fans in München bejubeln den FC Bayern nach der Finalniederlage – und während Ribéry sein Bleiben verkündet, könnte Demichelis bald gehen.

„Die! Mannschaft! kommt! in! diesem! Moment! am! Rathaus! an!“ Stephan Lehmann, Stadionsprecher des FC Bayern München und, mit Verlaub, ein unsäglicher Schreihals, verkündet oben vom Balkon über dem Marienplatz das Erscheinen des Herrgotts an, oder der Herrgötter, das tut nichts zur Sache. Er macht das getragen, andächtig, Wort! für! Wort!, wie es sich geziemt, wenn Erleuchtete den Erdboden oder zumindest ihren Balkon betreten. Und endlich, endlich hat die ohrverletzende Beschallung der Münchner Innenstadt mit Folterliedern aus dem Munde eines Peter Wackels und anderer Vollpfosten vom Ballermann ein Ende. Es wird ein ungelöstes Rätsel der Menschheit bleiben, warum Volksfeste voller eigener Kraft und Freude überinszeniert werden müssen.

Dabei sprach allein die Menge für sich, die auf dem Marienplatz auf die Ankunft des FC Bayern wartete. Und all die Menschen, die jubelnd und nahezu ausschließlich in rot-weißen längsgestreiften Trikots an diesem warmen Frühlingsnachmittag die Leopoldstraße säumten, um ihren Helden im offenen Cabrio zu huldigen, die sprachen auch für sich.

Dass es gestutzte Helden sind, die am Vorabend in Madrid das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand 0:2 verloren hatten, tat der Hochachtung keinen Abbruch. Der, der nicht hatte mithelfen dürfen, die Niederlage abzuwenden, dufte doch noch einen kleinen Sieg mitteilen. „Isch abe“, sprach der am Vorabend gesperrte Franzose Franck Ribéry zum Volk herab, „ich abe gemakt fünf Jahre mehr. Isch liebe Fans von FC Bayern.“ Bis zum Jahr 2015 hat sich „unser Freund Franck“, so der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge mit leicht schwer wirkender Zunge, mit Vertragsunterzeichnung am Samstag vor dem Finale an den FC Bayern gebunden. Dass von seinem geschätzten Jahresgehalt von zehn Millionen Euro ein paar Hundertschaften da unten auf dem Marienplatz ein erträgliches Einkommen hätten, was soll’s, es ist mutmaßlich allen, ja, wahrscheinlich wirklich allen, die sich hier versammelt haben, völlig egal. Das Signal ist ihnen wichtig, und das lautet: Schaut her, wir bleiben zusammen.

Allerdings gibt es dennoch eine große Baustelle: Achtung, Einsturzgefahr! steht über der einstigen Bastion Innenverteidigung des FC Bayern. Martin Demichelis, mit 30 Jahren ohnehin schon dem neuen Adoleszenz-Programm des FC Bayern entwachsen, leitete mit einem zaghaften und verlorenen Luftkampf gegen Diego Milito und anschließender Gewährung der größtmöglichen Freizügigkeit für diesen Milito die Niederlage ein. Und Daniel van Buyten, 32, vollendete sie, als er sich auch mit Milito auf ein Tänzchen einließ und dabei tapsig wirkte wie ein in die Jahre gekommener Bär. Wenn man es positiv sehen will: Die beiden bestätigten nachhaltig die schon länger vorherrschende Meinung, dass auf Höchstniveau der Champions League just in diesem hinteren Mannschaftsteil die Schwachstelle der Bayern zu finden ist. Glaubt man dem Geraune der Branche, haben die Verantwortlichen das Problem erkannt, Louis van Gaal, so flüstert es, lasse intensiv nach Problemlösern suchen. Einen möglichen haben sie selber, Holger Badstuber. Rückt der 21-Jährige nach innen, benötigt der FC Bayern allerdings einen neuen Linksverteidiger. Bisher kommt nur Breno zurück, der an den 1. FC Nürnberg ausgeliehene Brasilianer, der ist aber auch erst 20 Jahre alt. Ein bisschen mehr Routine könnte hilfreich sein.

In Deutschland sind die besseren Kräfte rar. Ob Mats Hummels, der bei Borussia Dortmund glücklich geworden ist, zurückkehren möchte zum FC Bayern? Der Schalker Benedikt Höwedes ist bis 2014 unter Vertrag, der Stuttgarter Serdar Tasci auch. Der dürfte laut VfB für 20 Millionen Euro wechseln. Allerdings hat der FC Bayern mit teuren Stuttgartern schon Erfahrung, sie heißt Mario Gomez.

Und im Ausland? Da dürften die namhaften Defensivkräfte selbst für den FC Bayern zu teuer sein. Dem Vernehmen nach interessierten sich die Bayern für Stéphane Mbia, Nationalspieler Kameruns und bei Olympique Marseille angestellt.

Umgebaut wird auf jeden Fall. Und weil van Buyten neben seiner Hüftsteifheit immerhin auch einen massigen Schädel besitzt für die Kopfballabwehr und die Tore in letzter Sekunde, könnte eine Verabschiedung des Argentiniers Demichelis wahrscheinlich werden.

Schließlich ist nach der Saison vor der Saison. Und deshalb brüllte van Gaal auf dem Marienplatz die Parole ins Mikrophon: „Wir werden es wieder versuchen. Und mit Ihnen als Fans und diesen Spielern können wir es vielleicht schaffen.“ Fans, die gesiezt werden – die Etikette wahrt der Trainer also auch noch.

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