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© dpa

Bayern unter van Gaal: Der Star ist die Leistung

Bayern Münchens Trainer Louis van Gaal stellt ohne Rücksicht auf große Namen auf – und hat Erfolg damit.

Louis van Gaal sitzt lieber. Der Trainer von Bayern München sieht sich das Spiel meist von der Bank aus an, den DIN-A4-Taktikordner immer fest in der linken Hand. Er ist keiner dieser Wuseler in der Coaching Zone, die gefühlte 94 Minuten armwedelnd an der Seitenlinie rumhampeln. Wenn er allerdings mal seine stattliche Größe am Spielfeldrand aufbaut, dann muss man sich Sorgen machen – um die Spieler.

Das sieht zuweilen schlimm aus: Zeigefinger so spitz und stechend wie ein Degen, ein entstelltes Gesicht nach Brüllattacken, die nur knapp vom Stadionlärm der Zuschauer überdeckt werden und andere Gesten der Unzufriedenheit. Selbst wenn sein Klub vorne liegt oder gerade einen Treffer feiert. Van Gaal ist halt Perfektionist. Und er verteilt seinen Zorn gleichmäßig, ohne Rücksicht auf Stand und Ansehen des zu Beschimpfenden. Franck Ribéry bekommt genauso sein Fett weg wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Arjen Robben. Auch der Kaiser von China würde nach einem laschen Fehlpass von van Gaal einen Rüffel kassieren.

Beim mühsamen 2:1 gegen erstaunlich unwillige Nürnberger traten die Auswirkungen dieses Perfektionssinns klar zu Tage: Sie entschieden das Spiel. Wie schon zuletzt bei Borussia Dortmund und Maccabi Haifa retteten die von vielen vor der Saison als zweite Garde Abgestempelten die Punkte: Daniel van Buyten, Thomas Müller und Ivica Olic. Wer vor zwei Monaten dieses Ergänzungsspieler-Trio zu den potenziellen Matchwinnern gerechnet hätte, wäre mitleidig belächelt worden. Wie viele Trainer vor ihm hatte van Gaal bei Amtsantritt Chancengleichheit angekündigt, egal ob Weltstar oder Nachwuchsspieler. Und siehe da: Es waren keine Lippenbekenntnisse.

Der Satz „Keiner hat seinen Stammplatz sicher“ stimmt bei van Gaal einfach. Schmerzhaft erfahren mussten und müssen das: 35-Millionen-Euro-Einkauf Mario Gomez, das enfant terrible Ribéry, Nationalstürmer Miroslav Klose, das große Versprechen Anatoli Timoschtschuk, die neuen Außenverteidiger Danijel Pranjic und Edson Braafheid sowie die fröhlich durchgewechselten Torhüter Jörg Butt und Michael Rensing. Und wenn van Gaal rechts hinten eine Alternative hätte, würde wohl selbst Philipp Lahm ein Päuschen bekommen. Prima im Rennen liegen dagegen die zuletzt noch in der Regionalliga aktiven Holger Badstuber und Thomas Müller sowie der immer wuselnde Ivica Olic, eigentlich nur geholt als Ersatz für das Nationalelf-Duo Klose/Gomez. Gegen Nürnberg gelang Olic nach perfekter Vorarbeit des zur Zeit in Überform spielenden Müller der Führungstreffer. Mit überragendem Einsatz hat der Kroate den Konkurrenten im Wortsinn den Rang abgelaufen und bei van Gaal die besten Karten im Sturm.

Ähnliches gilt in der Defensive für Daniel van Buyten. Trotz des Verkaufs von Lucio galt der Belgier vielen nur als Innenverteidiger Nummer drei: hinter Martin Demichelis und Holger Badstuber. Demichelis verletzte sich und van Buyten spielte – von Spiel zu Spiel besser, zuletzt auch noch als Torschütze. Er erzielte das wichtige 1:0 in Haifa und nun den Siegtreffer gegen Nürnberg. „Ich bin aber schon noch Abwehrspieler“, beeilte er sich hinterher zu sagen. Die Erklärung für seine gute Form fällt ihm leicht: „Ich bin nicht anders als in der vergangenen Saison oder noch beim HSV. Aber wenn man an Spieler glaubt und ihnen die Chance gibt, sich in den Spielen zu beweisen, ist das der große Unterschied.“

Um aus seinen 26 Spielern immer die gerade elf Besten zu wählen, spart sich van Gaal sogar die Festlegung auf ein System. Gegen Nürnberg sah das zunächst nach 4-1-4-1 aus, nach der Pause wie ein klassisches 4-3-3. Auch das hatte er angekündigt, als er vor dieser Saison zu den Bayern nach München kam: Das System richtet sich nach dem vorhandenen Spielermaterial. Und wer nicht fit ist, spielt nicht. Das ist das Gerechtigkeits-Prinzip des Louis van Gaal: Es scheint immer besser zu funktionieren.

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