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Im Kreise der Großen. Julius Brink und Jonas Reckermann (rechts) nach ihrem Olympiasieg in London.

© dpa

Beachvolleyball: Naturgesetz außer Kraft

Beachvolleyball-Turniere wurden lange von US-Amerikanern und Brasilianern dominiert. Doch dieses Naturgesetz wurde nicht zuletzt durch den Olympiasieg des deutschen Duos Reckermann/Brink außer Kraft gesetzt. Europas Teams haben aufgeholt.

Als Jonas Reckermann den größten Moment seiner eindrucksvollen Karriere zelebrierte und in London vor der Weltöffentlichkeit darlegte, wie es zum Olympiasieg von ihm und seinem Partner Julius Brink gekommen war, verlor er während der Pressekonferenz für einen Moment seine gute Laune. Ein US- amerikanischer Journalist wollte wissen, wie eine solche Sensation nur möglich sei. Reckermann fixierte den Fragesteller und entgegnete, so ungewöhnlich sei das ja nun nicht. Schließlich sei das deutsche Team ja bereits 2009 als Weltmeister gekrönt worden, „und da haben wir eure Jungs auch alle hinter uns gelassen“.

Dieser Zustand ist neu, offensichtlich muss er sich in den Köpfen der Beachvolleyballer aus den USA und Brasilien erst noch einnisten. Bei den beiden traditionell führenden Nationen, die jede für sich in Anspruch nimmt, das Mutterland des sandigen Spektakels zu sein, hält man es für eine Art Naturgesetz, dass bei großen internationalen Meisterschaften nur ihre Spieler oben stehen.

Lange Zeit ist das tatsächlich so gewesen, aber in den vergangenen Jahren hat sich das Kräfteverhältnis deutlich zugunsten Europas verschoben. Als Erste brachen Brink/Reckermann nachhaltig in die Phalanx der Supermächte ein, sie wurden als erste Europäer Weltmeister und Olympiasieger. Andere ziehen nach, vor vier Wochen gewannen die Niederländer Alexander Brouwer und Robert Meeuwsen bei der Weltmeisterschaft in Polen Gold. Auch bei den Frauen sind die Dinge im Fluss, in Masuren gelang es Karla Borger und Britta Büthe als erstem europäischen Team, in ein WM-Finale einzuziehen, wo sie gegen die Chinesinnen Chen Xue und Zhang Xi nur denkbar knapp unterlagen.

Nie zuvor habe sich Europa „im interkontinentalen Vergleich so stark präsentiert“ wie derzeit, verkündete der deutsche Trainer Andreas Künkler erst vergangene Woche bei der EM in Klagenfurt. Sein Kollege Jürgen Wagner berichtet von Zeiten, „in denen sich die Besten bei uns drei bis vier Mal pro Woche getroffen haben, um abends im Sand zu spielen“. Doch längst wird überall in Europa mit den Umfängen trainiert, „wie es die Amis und die Brasilianer schon immer machen“.

Die Weltmeister Brouwer/Meeuwsen - „eine im Labor produzierte Goldmedaille“?

Der Lohn bleibt nicht aus. So berichtet der österreichische Ex-Europameister Nik Berger stolz, wie seine Landsleute Clemens Doppler und Alexander Horst die Brasilianer Alison Cerutti und Emanuel Rego zuletzt auf der World Tour „zwei Mal aus dem Turnier geschmissen haben“, woraufhin die Weltmeister von 2011 völlig frustriert ihre Zusammenarbeit aufkündigten. Die Gründe für den Aufschwung in Europa kann Künkler benennen. Nationen wie die Niederlande, Polen, Russland oder Lettland haben sich „deutlich mehr auf Beachvolleyball spezialisiert und investieren viel in diesen Sport“. Das Paradebeispiel für strategisches Handeln auf höchstem Niveau bieten die Niederländer, die vor fünf Jahren ein Programm starteten, bei dem starke Hallenspieler in den Sand gestellt wurden, um auf dem weichen Belag in die Spitze durchzustarten.

Künkler bezeichnet den WM-Triumph von Brouwer/Meeuwsen deshalb auch als „eine im Labor produzierte Goldmedaille“. Andere Nationen handeln ähnlich. So hat Polen in diesem Jahr für seine Beachvolleyballer einen Etat von 1,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das ist mehr, als der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) für alle seine Hallen-, Beach- und Nachwuchsteams zusammen aufbringen kann. Bei solchen Summen drohen auch die in Europa traditionell führenden Deutschen ins Hintertreffen zu geraten. Denn die Spitzenteams müssen wegen des chronisch klammen Verbandes zumeist als Ich-AGs agieren – einen Weg, den Künkler „für ein Auslaufmodell“ hält und deshalb prognostiziert: „Im Männerbereich werden wir noch in diesem Olympiazyklus den Anschluss verlieren“.

Noch aber hält die deutsche Vormachtstellung, nun gilt es, die letzte Bastion der Nationen aus Übersee zu nehmen. Eine olympische Medaille für ein europäisches Frauenteam hat es bisher im Beachvolleyball nicht gegeben. Als Kira Walkenhorst mit diesen Fakten konfrontiert wurde, entgegnete die WM-Fünfte: „Ach, das wusste ich noch gar nicht.“ Um dann hinzuzufügen: „Dann wird es ja langsam mal Zeit, das zu ändern.“

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