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Fassungslos. Für Julius Brink (Foto) ist der neue Präsident des Weltverbandes, Ary Graca, schuld an der Misere. Der Brasilianer scheint vor allem an sein Land zu denken.

© picture alliance / dpa

Beachvolleyball: Spieler gegen Verband

Wegen neuer Regularien des Weltverbandes rumort es im Beachvolleyball. Die Profis sind verärgert darüber, dass der neue Weltverbands-Präsident Graca ihre Macht beschneiden will.

Am Sonntag hat sich Julius Brink auf den Weg nach China gemacht, um am heutigen Mittwoch wieder seiner liebsten Beschäftigung nachzugehen: durch den Sand zu springen und Bälle über das Netz zu schlagen. Eigentlich sollte der Olympiasieger bester Dinge sein, schließlich herrscht Aufbruchstimmung. Mit Sebastian Fuchs hat der begnadete Abwehrspieler einen neuen Partner an seiner Seite, Brink rühmt dessen „starken Willen und seine unglaublichen physischen Möglichkeiten“.

Dennoch ist die Vorfreude auf das Turnier der World Tour in Fuzhou getrübt. Es rumort in der Szene, die Gilde der Beachvolleyballer ist verstimmt über den Weltverband FIVB, der die Regularien im internationalen Wettbewerb erheblich verändert hat. Zum Nachteil der Spieler, wie diese betonen. Federführend bei den Umwälzungen ist Ary Graca. Der Brasilianer wurde im September 2012 im Disneyland Hotel im kalifornischen Anaheim zum neuen FIVB-Präsidenten gewählt, seitdem hat er die Tour umgekrempelt. Vor allem die Novelle, dass die erspielten Punkte in Zukunft nicht mehr den Athleten gehören, die sie erstritten haben, verärgert die Profis. Stattdessen erhalten die nationalen Verbände Quotenplätze, die sie nach Gutdünken verteilen dürfen. Bei Brink löst das „Fassungslosigkeit und Wut“ aus, ein Gemütszustand, den der Deutsche mit vielen seiner Kollegen teilt. Der Plan dahinter liegt auf der Hand: „Die Verbände erhalten deutlich mehr Macht, während die Athleten an Einfluss verlieren“, sagt Brink.

Das ist vor allem ein Vorteil für Länder, in denen die Teams dirigistisch geführt werden. Zum Beispiel in Brasilien, wo die Spieler quasi Angestellte des Verbandes sind, weil eine Bank Sponsorengelder in Millionenhöhe ausschüttet, die dann verteilt werden, während sich die Athleten in Deutschland weitgehend selbst organisieren und vermarkten. Nun ist es in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass Graca auch noch als Präsident des brasilianischen Verbandes fungiert. Es liegt also auf der Hand, welchen Interessen er sich in erster Linie verpflichtet fühlt. 2016 finden in Rio Olympische Spiele statt, die Gastgeber haben es zum vordringlichen Auftrag erklärt, im Beachvolleyball beide Goldmedaillen zu gewinnen und sich nicht wieder von Deutschen oder US-Amerikanerinnen düpieren zu lassen, wie es ihnen in London widerfahren ist.

Ein Mosaikstein könnten die neuen Regularien sein, die „der Willkür Tür und Tor öffnen“, wie Andreas Künkler, Trainer des Nationalteams Katrin Holtwick und Ilka Semmler erklärt. Es werden weniger Turniere zur Einstufung herangezogen, kurioserweise werden auch die Punkte pensionierter Beachvolleyballer für ihr Land gewertet. Ein gutes Beispiel dafür, wie paradox die Neuerungen sind, ist, dass die Österreicher Clemens Doppler und Alexander Horst in der Rangliste von Position 15 auf 25 abrutschten ohne dass ein Ball gespielt wurde. Nun müssen sie in China in die Qualifikation. Doppler sieht sich als „Bauernopfer“.

Im Volleyball hat nach der Wahl von Graca ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Weg von Transparenz, wie sie Gracas Vorgänger, der Chinese Wei Jizhong propagierte, zurück zum absolutistischen Machtanspruch von Ruben Acosta. Der kleine Mexikaner hatte den Weltverband von 1984 bis 2008 nach Gutsherrenart geführt. Nun scheint es Graca ähnlich zu handhaben. Nicht anders ist es zu erklären, dass sechs Spielervertreter zu einer Konferenz in die Verbandszentrale nach Lausanne reisten und ihnen Zusagen gemacht wurden, die Eingang ins Handbuch fanden. Wenige Tage später wurde jedoch ein Kapitel ohne Rücksprache mehrfach an relevanten Stellen verändert.

Auch deshalb spricht Künkler von einem „Pseudo-Mitspracherecht“. Entsprechend erzürnt sind die Profis, die im Vorfeld des Turniers von Fuzhou sogar über einen Streik berieten, das jedoch verwarfen. Vorerst, wie Brink betont, der es „in der jetzigen Situation nicht für ausgeschlossen hält, auch diese Option zu ziehen“. Der Deutsche und seine Kollegen fühlen sich entmündigt. Der US-Amerikaner Todd Rogers fühlt sich bei der US-Profitour derzeit besser aufgehoben. „Da wird keine Politik gemacht“, sagt der Olympiasieger von 2008, „du findest einen Partner, schreibst dich ein und schaust, ob du gut genug bist. Es gibt keine Länderquoten, keiner diktiert dir, ob du bei einem Turnier antreten darfst oder nicht.“

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