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Sport: Beckenbauer vor Maradona und Pelé

Bei der Wahl zur Ewigen WM-Elf gab es einige Überraschungen – und viele Diskussionen

Die Altstars hatten es schwer bei der Wahl zur Ewigen WM-Elf. Die Großtaten von José Leandro Andrade, Giuseppe Meazza oder Fritz Walter liegen wohl schon zu lange zurück, als dass sie Würdigung gefunden hätten in der Wahl zum Allstar-Team aller Fußballweltmeisterschaften, zu der Tagesspiegel, 11 Freunde, Zitty und RBB-Inforadio aufgerufen hatten. Jetzt liegt das Votum von 2587 Lesern und Hörern vor, und es gibt einen eindeutigen Trend: Für viele beginnt die WM-Geschichte erst mit der Moderne, mit dem als Kulturschock empfundenen Auftritt der Brasilianer bei der WM 1958 in Schweden. Die erste Mail, die uns erreichte, kam aus Uruguay. Vielleicht wäre die Wahl anders ausgegangen, hätte sie in Südamerika stattgefunden. So aber vereinten nicht Maradona oder Pelé die meisten Stimmen auf sich, sondern Franz Beckenbauer war der große Sieger. Der Mann, der die Position des Libero erfand und den Abwehrspieler neu interpretierte. Beckenbauer ist für unsere Leser und Hörer der WM-Star schlechthin.

Im Tor hatten viele Sepp Maier erwartet. Doch lange lag Lew Jaschin vorn, und schließlich machte Dino Zoff das Rennen – mit der Geduld, die ihn 1982 mit 40 Jahren noch zu Weltmeisterehren kommen ließ. Vielleicht war es der schauspielerischen Einlagen entbehrende Stil des Italieners, der die Wähler beeindruckte.

In der Abwehr bildet Franz Beckenbauer eine Dreierkette mit zwei Italienern. Es hat seinen Reiz, sich vorzustellen, wie Beckenbauer mit Franco Baresi harmoniert hätte, der Beckenbauer in seiner Spielanlage ähnelte. Nicht umsonst nannten die Tifosi ihren langjährigen Abwehrchef Franz. Geht nicht, Beckenbauer und Baresi würden sich auf die Füße treten? Mag sein, aber das hat man bei der WM 1970 auch von Uwe Seeler und Gerd Müller gesagt, und dann harmonierten die beiden prächtig miteinander im deutschen Angriff. Baresis Landsmann Maldini steht wie kein anderer für die Dominanz des AC Mailand. 21 Jahre lang hat er für Milan gespielt, seine beste Zeit hatte er an der Seite von Baresi: 1990 im WM-Halbfinale gegen Argentinien, das genauso nach Elfmeterschießen verloren ging wie vier Jahre später das Finale gegen Brasilien.

Das Mittelfeld ist ein so offensives, wie es zuletzt wohl die Brasilianer 1970 bei ihrem WM-Triumph in Mexiko aufboten. Angeführt wird es von zwei südamerikanischen Jahrhundertgenies. Überraschenderweise erhielt Maradona mehr Stimmen als Pelé. Sein ewiges Verdienst liegt darin, dass nie eine WM so stark von einem Einzelspieler geprägt wurde wie die 1986 in Mexiko. Der Weltmeister Argentinien bestand damals aus Diego Maradona und zehn Adjutanten. Für Pelé spricht die größere Bandbreite von Technik und Strategie. Dazu kann sich sein Spätwerk von Mexiko 1970 durchaus messen mit dem furiosen Auftritt des 17-jährigen Pelé 1958 in Schweden.

Ergänzt wird die kreative Zentrale der Ewigen WM-Elf von den Stars der Turniere 1974 und 1998. Johan Cruyff steht für den „Voetbal totaal“, mit dem die Holländer in den Siebzigerjahren die ganze Welt durcheinander wirbelten. Sein Ballgefühl und seine Schnelligkeit auf den ersten Metern setzten Maßstäbe, dazu war er der intelligenteste Spieler seiner Zeit, trotz Beckenbauer, der ihm nur eines voraus hatte: den finalen Erfolg bei einer WM. Damit kann sich auch Zinedine Zidane schmücken, der Mann, der die Neuzeit vertritt. Vor acht Jahren führte er Frankreich daheim zum ersten und bislang einzigen WM-Titel. Alles an ihm sieht so spielerisch leicht aus, dazu ist jede Einzelaktion Teil einer größeren Idee. Zidane scheint immer im Voraus zu wissen, was auf dem Platz noch alles passieren wird. Bei der WM in Deutschland gibt er seine Abschiedsvorstellung.

Es gab in unserem Internet-Forum unter www.ewige-wm-elf.de viele Diskussionen (siehe Dokumentation rechts). Keine Frage war aber, wem der Titel des besten Stürmers aller Zeiten gebührt: Gerd Müller, Prototyp eines Strafraumstürmers. Müller erfasste Situationen immer ein wenig früher als seine Gegenspieler, die Drehungen auf engstem Raum macht ihm noch heute keiner nach. Flankiert wird er von zwei Brasilianern. Ronaldo könnte bei der WM in Deutschland Müllers WM-Rekord von insgesamt 14 Toren brechen. Vor der WM 2002 in Fernost war Ronaldo schon als Sportinvalide abgeschrieben und schaffte dann eines der erstaunlichsten Comebacks der Sportgeschichte, gekrönt von zwei Toren beim 2:0 im Finale gegen Deutschland. Ähnlich wie Müller glänzt Ronaldo nicht mit fußballerischen Feinheiten – aber irgendwie dirigiert er den Ball mit unkonventioneller Schusstechnik immer wieder ins Tor. Auch der Stil seines Landsmannes Garrincha entzog sich gängigen Verhaltensmustern. Oft genug gestaltete der Rechtsaußen ein Spiel zur One-Man-Show, mit endlosen Dribblings, die vor allem der Schönheit des Spiels dienten. Garrincha war ein anatomisches Wunder mit einem X- und einem O-Bein, noch heute rätseln Experten, wie er bei seinen waghalsigen Dribblings die Balance halten konnte. Die WM 1962 in Chile erlebte ihn im Zenit seines Könnens. Nach Pelés früher Verletzung schoss Garrincha Brasilien fast im Alleingang zum zweiten Titel.

Morgen finden Sie hier die Ewige WM- Elf unserer Experten Jürgen Croy, Lutz Michael Fröhlich, Joachim Krol, Günter Netzer, Marcel Reif und Anne Will. Die Spieler der Ewigen WM-Elf der Leser und Hörer stellt Inforadio ab heute täglich montags bis freitags um 6.47 und 8.47 Uhr vor.

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