zum Hauptinhalt

Sport: Bedrohliche Kontinuität: Alba Berlins Team hat sich wenig verändert - was Trainer Pesic nicht sehr optimistisch stimmt

Viel hat nicht gefehlt, und der Deutsche Meister Alba Berlin wäre morgen ohne Svetislav Pesic in sein erstes Spiel der neuen Bundesliga-Spielzeit gegangen. Paok Saloniki schien das Rennen um die Gunst des Trainers schon gewonnen zu haben.

Viel hat nicht gefehlt, und der Deutsche Meister Alba Berlin wäre morgen ohne Svetislav Pesic in sein erstes Spiel der neuen Bundesliga-Spielzeit gegangen. Paok Saloniki schien das Rennen um die Gunst des Trainers schon gewonnen zu haben. Pesic blieb erst nach langem Abwägen und schlaflosen Nächten. Er hatte schon "mit zu vielen Spielern über die nächste Saison gesprochen". Außerdem hatte er noch einen Vertrag. So wurde die Kontinuität gewahrt.

In dieser Hinsicht hält Alba ohnehin die Spitzenposition in Europa. Kein anderer Top-Verein bleibt sich so treu wie Alba Berlin. Das betrifft nicht nur das Konzept, selbst Spieler zu produzieren oder weiterzuentwickeln, um sportlich Erfolg zu haben. Es betrifft auch Personalien. Der Präsident heißt seit 1991 Dieter Hauert. Im Vorstand hat sich seither nur wenig verändert. Noch ein Jahr länger bastelt Manager Marco Baldi, der sich zwar jetzt nicht mehr so nennt, aber noch immer sehr viel managt, an Mannschaft, Konzept und Außenwirkung des Vereins herum. Sechs Jahre lang bilden Headcoach Pesic und seine Assistenten Burkhardt Prigge und Emir Mutapcic schon das Trainergespann. Die Zusammenarbeit mit dem Namens- und Hauptsponsor währt seit acht Jahren. Mannschaftskapitän Henrik Rödl unterschrieb vor ein paar Monaten einen Vertrag bis 2002. Wenn der ausgelaufen ist, wird Rödl neun Jahre in Berlin gespielt haben. "Unsere Kontinuität", sagt Burkhardt Prigge trocken, "ist überdurchschnittlich."

Was sich in den vergangenen Jahren recht drastisch änderte, war das spielende Ensemble. Manche wollten nicht, andere sollten nicht bleiben. "Eine gewisse Art von Selbstreinigung muss schon sein", sagt Rödl. Scheiden kann weh tun, aber nie wurde jemand mit bösen Worten verabschiedet. "Es ist schwer, bei Alba den einen gegen einen anderen auszuspielen", sagt Baldi. Der Verein hat Stil und sich auch damit in Europa ein Profil aufgebaut. Was kontinuierlich verbessert wurde, sind die professionellen Bedingungen für die sensiblen Angestellten: medizinische Betreuung, Auswärtsreisen, Trainingsmöglichkeiten. In Berlin bestehen die besten Chancen, sich individuell in Ruhe weiterzuentwickeln. Agenten und Spieler wissen das. Bei seinem ersten Auftritt in Berlin verblüffte der neue Spielmacher Frankie King mit der Aussage, für ihn sei die Alternative gewesen, entweder Alba Berlin oder Amerika. Der einstige Basketball-Wandersmann Wendell Alexis kehrt zur Überraschung vieler immer wieder nach Berlin zurück. Obwohl er anderswo gewiss mehr verdienen könnte. Die Sache mit der Kontinuität "funktioniert aber nur", sagt Baldi, "wenn Intensität und Ehrgeiz nicht nachlassen". "Diejenigen, die hierbleiben", ergänzt Rödl, "bleiben nicht wegen Schönwetter. Die sehen hier eine richtige Aufgabe, wollen sich weiterentwickeln, das wird nie langweilig."

Nun hat sich erstmals seit langem das Personal bei Alba Berlin nicht groß verändert. Die Zugänge Ademola Okulaja und Stephan Baeck kennen den Verein aus früheren Zeiten, nur King ist noch fremd in der Stadt. Kontinuität wie nie zuvor also in der für Alba mit dem Heimspiel gegen TSK Bamberg (20 Uhr, Schmeling-Halle) beginnenden Saison? "Kann man so sagen", antwortet Svetislav Pesic, aber seine Antwort gefällt ihm selbst nicht. "Darauf kann man sich nicht verlassen. Von Ademola zum Beispiel erwarte ich heute ganz andere Dinge als vor vier Jahren. Er ist keine 20 mehr." Der 50-Jährige scheint nicht so zufrieden mit der Situation, wie man es erwarten könnte. Die Vorbereitung verlief unerfreulich - kaum schwere Gegner, kaum einmal konnte das Team in Bestbesetzung antreten. Keine Kontinuität! Pesic glaubt, die Mannschaft sei im Vorjahr um diese Zeit weiter gewesen. "Wir waren aggressiver, spritziger, motivierter. Die Mannschaft ist jetzt psychisch müde. Das gibt mir keinen großen Optimismus."

Er hat Atmosphäre eingeatmet und etwas Furchtbares gerochen. Alle, sagt er, denken so - im Team, im Umfeld, bei den Fans: "Wir werden wieder Meister, aber das Final Four der Europaliga schaffen wir sowieso nicht." Mit der Einstellung kommt man nicht weiter. Und Pesic will immer weiter. Sich mit dem Status quo zufrieden zu geben, stinkt dem ehrgeizigen Coach. Unabhängig von Personen, auch von seiner eigenen: "Mutapcic und Prigge haben genug Anerkennung bei den Spielern, dass auch einer von ihnen die Verantwortung als Headcoach übernehmen könnte." Der Mann blickt schon wieder nach vorn. Manchmal kann zu viel Kontinuität auch der Anfang vom Abstieg sein.

Dietmar Wenck

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false