zum Hauptinhalt

Sport: Beim Jubeln fehlt die Kraft

Deutsche Langstreckenschwimmer holen zweimal Silber

Barcelona. Die deutschen Fotografen auf dem Holzsteg hatten ihre liebe Not mit Angela Maurer. „Angela, jubel mal!“, rief einer der professionellen Knipser der Frau zu, die drei Meter unter ihnen gerade Barcelonas Hafengewässern entstiegen war. Die frisch gebackene Vizeweltmeisterin gehorchte. Beide Arme reckte sie in die Höhe, dazu schenkte sie noch ein erschöpftes Lächeln her. Den Fotografen gefiel das Bild nicht, das sich ihnen bot. Ohne einen Gedanken zu verschwenden an die zehn Kilometer, die Angela Maurer soeben durchs Mittelmeer gekrault war, forderten sie die Schwimmerin vehement auf: „Angela, nun jubel doch mal richtig!" Die 27-Jährige empfand das Bitten und Drängen alsbald als lästig, dennoch streckte sie ihre beiden Daumen noch einmal gen Himmel – anstandshalber. Der undankbare Schlusskommentar von oben: „Mensch, ist denn das so schwierig?"

Danach musste Angela Maurer nicht mehr auf Befehl jubeln. Und als sich die Freude ein paar Momente lang in ihr hatte lösen und ausbreiten können, stand der dunkelblonden Schwimmerin aus Wiesbaden der Spaß über ihren Erfolg deutlich in den übernächtigten Augen. Nach einer Nacht mit unruhigem Schlaf staunte sie sogar über sich selbst. „Wenn ich ehrlich bin: Mit dem zweiten Platz habe ich gar nicht gerechnet.“ Und das aus einem schlichten Grund: „Eigentlich bin ich ja nicht wirklich eine Sprinterin.“

Und Sprinten im Wasser war gefordert am Ende der zehn Kilometer. Zwei Kilometer vor dem Ziel hatte eine Sechsergruppe, angeführt von der späteren Siegerin Viola Valli aus Italien, das Tempo angezogen. Mit dabei: Angela Maurer und Titelverteidigerin Britta Kamrau – auch dann noch, als 800 Meter vor Ultimo der richtige Schlussspurt einsetzte. Doch während die Rostockerin Kamrau im Finale den Strapazen bei ihrem Start über fünf Kilometer am Sonntag Tribut zollte, hielt ihre Teamkollegin bis zum Schluss mit. Sieben Sekunden vor Kamrau kam Maurer ins Ziel, wo sie sich dann für ihren gelungenen Spagat zwischen Sportlerehre und Durchsetzungsvermögen gleich selbst lobte. „Ich habe auf jeden Fall immer versucht, fair zu schwimmen“, sagte die Verwaltungsfachangestellte. „Aber klar, manchmal habe ich der einen oder anderen Schwimmerin schon mal auf die Füße geklatscht.“

Gestern teilte Angela Maurer ausgerechnet im Portal de la Pau, dem Friedensportal, auch für ihren Vater Hans aus, der daheim seinen 52. Geburtstag feierte. „Da wollte ich ihm schon ein schönes Geschenk machen“, vermeldete die Tochter aus der katalanischen Metropole. „Und dafür strengt man sich dann noch ein bisschen mehr an.“

Die Einzige, die nichts von den hessischen Fußtritten abbekam, war die neue Weltmeisterin, Maurers Freundin Viola Valli. Der Einzige, der zwei Stunden später beim Zehn-Kilometer-Finish der Männer ohne blaue Flecken die Zielbande abklatschte, war der Russe Wladimir Diattchine. Keine große Überraschung, was man von dem großen Mann, der zehn Sekunden später als Zweiter ankam, nicht behaupten kann: Christian Hein, bereits drei Tage zuvor über fünf Kilometer Silbermedaillengewinner, sicherte sich sein zweites Edelmetall und erklärte die Fortsetzung seiner persönlichen Erfolgsstory in Spanien sogleich zum bedeutsamen Akt: „Für mich ist diese Medaille noch schöner, denn bei fünf Kilometer war ich mir vorher zumindest sicher, dass ich durchkomme.“

Natürlich stärkte den Studenten aus Würzburg beim Rennen über die doppelte Distanz auch sein Coup vom Sonntag. Dennoch bekundete auch er seinen Unglauben über das soeben Vollbrachte. „Sehr, sehr überrascht" sei er über das, was er da bei 35 Grad Außentemperatur angestellt hatte. „Als krasser Außenseiter bin ich hierher gekommen. Und jetzt habe ich zwei Medaillen. Damit hat keiner gerechnet, ich am allerwenigsten“, erinnerte sich Hein, den auch eine Ermahnung durch die Wettkampfrichter während des Rennens („Eine Verwarnung - na und?“) nicht sonderlich störte.

Christian Hein bedankte sich nachher auch noch ganz artig bei seinen Kolleginnen Maurer und Kamrau, die mit ihm zusammen für insgesamt vier Medaillen der deutschen Langstreckenschwimmer gesorgt haben. Durch sie bekam auch Hein den nötigen Motivationsschub. „Unsere beiden Mädels sind ja immer für eine Medaille gut. So etwas hilft natürlich auch“, sagte er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false