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Sport: Beim Kampf um die Qualifikation für die neue dritte Liga setzt die Union auf sechs Bulgaren

"Trjabwa da se borisch!" Ganz ruhig, die Arme vor der Brust verschränkt, hat Georgi Wassilew bislang an der Seitenlinie gestanden.

"Trjabwa da se borisch!" Ganz ruhig, die Arme vor der Brust verschränkt, hat Georgi Wassilew bislang an der Seitenlinie gestanden. Sein Verein, der Fußball-Regionalligist 1. FC Union, ist beim Test-Kick in Eberswalde (Endstand 8:1) haushoch überlegen. Kein Grund also, unruhig auf und ab zu tigern und sich aufzuregen. Doch die Nummer 13, die direkt vor ihm auf der rechten Außenbahn wirbeln soll, bewegt sich nicht genug und gibt die Bälle viel zu schnell verloren. Wassilew, bulgarischer Meistertrainer und neuer Union-Coach, schreit seine Anweisungen aufs Feld. "Trjabwa da se borisch, du musst kämpfen!", feuert er den 19-jährigen Dejan Popow an. Wenn dem jungen Stürmer ein guter Pass gelingt, ruft Co-Trainer Ivan Tischanski ein lobendes "dobre", zu ihm hinüber, das heißt "gut". Manchmal mischt sich auch Iwailo Andonow (31) ein und kommentiert vom Mittelfeld aus eine von Popows Aktionen. Auf Bulgarisch, versteht sich.

Auf sechs Bulgaren setzt Union in der kommenden Saison beim Kampf um die Qualifikation für die neue dritte Liga. Das Trainer-Gespann vom Balkan, nach dem Rücktritt von Fritz Fuchs verpflichtet, hat außer Andonow und Popow (beide Lok Sofia) auch noch Abwehrspieler Adalbert Zafirow (29, Arminia Bielefeld) und Mittelfeldmann Hristo Koilow (29, FC Luzern) nach Berlin geholt. Bulgarisch als neue Umgangssprache in Köpenick? Tja, künftig wird hier "Futbol" gespielt, Wassilew fordert Steffen Menze in der Mannschaftsbesprechung auf, als "Napadatel" (Stürmer) ein "Gol" zu schießen, und die Verteidiger sollen jeden "Dwuboj" (Zweikampf) gewinnen.

Stopp. Bevor sich verzweifelte Union-Fans auf den Weg zur nächsten Buchhandlung machen, um für die Kommunikation mit den Akteuren ein Wörterbuch zu kaufen, sei Entwarnung gegeben. Co-Trainer Tischanski, zuletzt Manager bei Anorthosis Famagusta auf Zypern, würde für seine Deutschkenntnisse von jedem Lehrer sofort eine Eins mit Stern bekommen. Er hat Deutsch im Kindergarten gelernt und lebte drei Jahre in Österreich. "Ich habe den deutschen Fußball über Satellitenfernsehen und Zeitungen verfolgt. Hier Co-Trainer zu sein, ist ein großer Reiz", freut er sich auf die neue Aufgabe.

Wassilew, ein eher kleiner Mann mit grauem Schnauzer und schütter werdendem grauen Haar, ist 1988 an der Kölner Sporthochschule ausgebildet worden und hätte in seinem Zeugnis mindestens eine Zwei stehen, genauso wie der bisherige Luzerner Hristo Koilow. Andonow und Zafirow, in unterschiedlichen Jahren für Bielefeld aktiv, können sich halbwegs verständigen. Note 3 - 4. Nur Talent Dejan Popow muss vorerst seine Landsleute als Dolmetscher engagieren. Er und Andonow stießen erst im Trainingslager bei Saarbrücken vor zehn Tagen zur Mannschaft. Zeit zur Integration war bisher kaum, die beiden sind noch Fremdkörper im Team. Ein Betreuer wusste beim Training letzte Woche zwar, "das da drüben ist einer der Bulgaren", welcher der vier, konnte er nicht sagen.

Ein Team im Team könnten die Bulgaren werden, ein Grüppchen mit eigener Sprache, das sich abkapselt vom Rest. Oder sich bei der Eingewöhnung hilft. Darauf setzen die Union-Fans Andre und Maik: "Ist doch besser so, als wenn ein Spieler aus Simbabwe wäre, einer aus Polen und einer von den Fidschi-Inseln." Auch Mittelfeldspieler Ronny Nikol sieht keine Probleme, "wir haben sie gut aufgenommen. Mit dem Trainer macht es richtig Spaß, wir müssen halt genau zuhören, wenn er was sagt". Adalbert Zafirow ist froh, dass er seine Landsleute um sich hat: "In Bielefeld hatte ich keine Freunde und war allein, hier gibt es viele Kontakte." Gemeinsam war das Quartett, das noch in einem Hotel am Tierpark wohnt, "ein bisschen gucken", wie Andonow es nennt. Fernsehturm und Brandenburger Tor kennen sie jetzt und haben zumindest nicht mehr das Gefühl, dass die Weltstadt Berlin nur aus dem Sportplatz an der Alten Försterei in Köpenick besteht.

Dejan Popow schleppt überall ein Vokabelheft mit sich rum und trägt ein, was die Mitspieler ihm im Laufe des Tages so beibringen. Das Wort "Tor" kennt er noch nicht, dafür kann er bis 15 zählen und fragt höflich "gut geschlafen?"

Helen Ruwald

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