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Sport: Beim Landessportbund Berlin rangeln drei Kandidaten um die Nachfolge von Manfred von Richthofen

Die Überraschung war Manfred von Richthofen gelungen. Die Präsidiumsmitglieder, die der Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB) geladen hatte, staunten nicht schlecht, als ihnen der erste Mann des Berliner Sports während des alljährlichen Weihnachtsessens im Dezember des vergangenen Jahres offiziell mitteilte, dass er sein Amt im Juni 2000 niederlegen werde.

Die Überraschung war Manfred von Richthofen gelungen. Die Präsidiumsmitglieder, die der Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB) geladen hatte, staunten nicht schlecht, als ihnen der erste Mann des Berliner Sports während des alljährlichen Weihnachtsessens im Dezember des vergangenen Jahres offiziell mitteilte, dass er sein Amt im Juni 2000 niederlegen werde. Eigentlich wollte der 66-jährige Freiherr noch bis zum Juni 2003 eine weitere dreijährige Amtsperiode anhängen, doch persönliche Gründe, so beschied er den verwunderten Zuhörern, hätten ihn nun dazu bewogen, sich fortan auf sein Amt als Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB) zu konzentrieren.

Einen Nachfolger hatte Richthofen nicht aufgebaut, dessen Führungsstil nicht unbedingt eine flache Hierarchie vorsieht. Seit 1985 steht Richthofen dem LSB vor. Ein Mann, der klar und deutlich sagt, was er will, der aber auch nicht selten den einen oder anderen anrempelt. Richthofen wollte gerne seine Nachfolge selbst regeln. Es sei "die Pflicht des scheidenden Präsidenten, sich Gedanken zu machen", sagt er. Und diese Gedankenspiele sehen als seinen Nachfolger Hans-Jürgen Bartsch vor, Regionalleiter der Dresdner Bank und seit zehn Jahren als LSB-Schatzmeister tätig. "Ich rechne mir große Chancen aus", sagt der Banker mit Blick auf den Wahltermin am 16. Juni. Aber der 59-Jährige fügt auch gleich hinzu: "Damit will ich die beiden Konkurrenten nicht unterschätzen."

Die Konkurrenten. Die beiden LSB-Vizepräsidenten Dietrich Gerber (56) und Peter Hanisch (64) kandidieren ebenfalls. "Ich habe gehofft, dass es zu einer vernünftigen Absprache kommt", erklärt der noch amtierende LSB-Präsident. Offensichtlich hat sich Richthofen die Inthronisierung seines Nachfolgers anders vorgestellt. Was er nicht gewollt hat, steht für ihn inzwischen so gut wie fest: "Ich gehe davon aus, dass es am 16. Juni zu einer Kampfabstimmung kommt." Mehrere Kandidaten, die momentan Wahlkampf betreiben - in den Augen Richthofens ist dies einerseits eine "urdemokratische Sache", zum anderen fürchtet er jedoch die negative Außenwirkung: "Das nützt der Sache auf alle Fälle nicht." Hinter den Kulissen wird jedenfalls fleißig gearbeitet, jeder versucht, sich möglichst vieler der insgesamt 179 Delegiertenstimmen zu versichern. Da wird gekungelt und Stimmung gemacht. Hat Bartsch nicht zu wenig Stallgeruch? Können Gerber oder Hanisch den Sport überhaupt entsprechend repräsentieren? Welcher Verband stimmt warum für welchen Kandidaten? Jeder der Kandidaten stellt sein Schattenkabinett, sprich seine bevorzugten Präsidiumsmitglieder zusammen. Posten werden versprochen.

Was nicht nur bei Gerber und Hanisch, sondern auch bei manchen Verbänden schlecht ankommt, ist das Vorpreschen des LSB-Chefs. Er wolle seinen Kandidaten nach Freiherrenart durchdrücken, ist zu hören. Oft genug sei von oben diktatorisch entschieden worden, diesmal wolle man das nicht mitmachen. Von "vollendeten Tatsachen" spricht Hanisch, als Vize zuständig für Breiten- und Freizeitsport und seit 1974 im LSB-Präsidium. Der Leitende Polizeidirektor im Ruhestand, auch Präsident des Berliner Turnerbundes, hätte sich gewünscht, dass im Vorfeld "ernsthafte Gespräche" mit allen geführt worden wären. Gerber, Manager bei einer Berliner Brauerei und im LSB-Präsidium als Vize für den Bereich Leistungssport zuständig, findet, der Präsident habe "nicht glücklich agiert".

Es sei klar, so Hanisch, dass es für jeden schwer werde, in die großen Schuhe des Präsidenten zu schlüpfen, der überall respektiert wird. Doch gerade deshalb sei es erst einmal wichtig, dass die "Kontinuität der Arbeit" gewährleistet sei. Dafür stehe er. Und dafür steht auch Gerber. Diese beiden, sagt Bartsch, hätten ihren Schwerpunkt im rein sportlichen Bereich, "sie haben viel Fachwissen". Doch die Aufgaben eines Präsidenten gingen heute darüber hinaus. Bartsch: "Man muss akzeptiert sein von Wirtschaft und Politik." Eben dort, wo die Entscheidungen fallen und die Gelder herkommen. Richthofen hat Bartsch als seinen Mann auserkoren, weil dieser in seinen Augen diesem Anforderungsprofil entspricht.

Am Donnerstagabend gab eine Findungskommission (zwölf Vertreter diverser Verbände plus Richthofen) ihr Votum ab, welche Kandidaten sie für die zwölf Präsidiumsposten am 16. Juni der Delegiertenversammlung vorschlagen werden. Fürs Präsidentenamt selbst wird Bartsch vorgeschlagen. Wobei diese Findungskommission von Richthofen höchstselbst nach seinem Gusto zusammengestellt wurde. Auch ein Vorgang, der Kritik hervorrief.

Momentan deutet vieles darauf hin, dass im ersten Wahlgang jeder der Drei etwa ein Drittel der Stimmen bekommen wird, benötigt wird jedoch da noch die absolute Mehrheit, im zweiten Wahlgang reicht dann die einfache Mehrheit. Gerber und Hanisch haben fast identische Teams, mit denen sie antreten wollen. Beide erklären, unter dem anderen, sollte dieser Präsident werden, auch als Vize weiter arbeiten zu wollen. Vor einem zweiten Wahlgang dürfte einer der beiden zurückziehen, in der Hoffnung, seine Klientel werde für den Verbleibenden - und nicht für Bartsch - stimmen. Gerber ("Ich mache es der Sache wegen") könnte sich, im Gegensatz zu Hanisch, sogar vorstellen, als Vize unter Bartsch zu arbeiten. Für den Banker aber steht fest: "Unter einem Präsidenten Gerber oder Hanisch werde ich im Präsidium nicht mehr mitarbeiten."

Sebastian Arlt

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